Zwei Wochen Währungsreform: Wie läuft die „Neuordnung“ in Kuba an?
Gut zwei Wochen sind seit dem „Tag Null“ auf Kuba vergangenen, der den Beginn der umfangreichsten Wirtschaftsreform der Insel seit 1959 markierte. Lange Schlangen vor den Banken und Geschäften prägen vielerorts das Straßenbild, wozu auch die aktuell verschärfte Pandemielage beiträgt. Dabei hat sich in dieser kurzen Zeit schon viel getan. „Cuba heute“ versucht die ersten Signale auszuwerten, welche bereits jetzt auf einen verhältnismäßig guten Start der „Aufgabe Neuordnung“ deuten.
Bereits an den ersten Tagen des neuen Jahres, die bekanntlich auf ein Wochenende fielen, machten sich die neuen Preise für Kubas Familien bemerkbar: Sieben (statt bisher einem) Peso für die Kugel an den staatlichen Coppelia-Eisdielen schien einigen Kubanern viel zu viel. Der Unmut, welcher sich vor allem in den sozialen Medien entlud, führte ähnlich wie bei der Debatte um die Strompreise zu einer Kurskorrektur der Regierung. Diese reagierte mit einer Preissenkung von gut einem Drittel. Interessant ist dabei die Geschwindigkeit des ganzen: Was früher vielleicht monatelange interne Überlegungen nach sich gezogen hätte, wurde jetzt binnen weniger Stunden entschieden. Präsident Díaz-Canel versprach, dass die Regierung auch weiterhin „Offene Ohren und die Füße fest auf dem Boden haben“ werde.
Angebot auf den Märkten
Die von vielen befürchtete Inflation hält sich bisher in Grenzen. Auf den Bauernmärkten ist das Angebot nach wie vor stark ausgedünnt, der Preisanstieg fiel bisher jedoch eher moderat aus. So kostete das Pfund (= 460g) Tomaten in Havanna zuletzt 8 Pesos (0,28 €), Auberginen 5 Pesos (0,18 €) und Schweinefleisch liegt bei etwa 50 Pesos (1,80 €) pro Pfund. Das günstigste Gemüse in Havanna ist Kohl mit 3 Pesos (0,11 €) pro Pfund. Für Kritik sorgte indes, dass anders als ursprünglich angekündigt lediglich 60 Prozent der ehemaligen CUC-Geschäfte diesen noch bis Juli als Zahlungsmittel akzeptieren werden. Auch hier wurde rasch nachjustiert: Am 11. Januar kündigte die Parteizeitung „Granma“ an, dass 500 weitere Läden für die „CUC-Abschöpfung“ hinzukommen sollen.
größten Andrang verzeichnen die rund 80 Dollar-Supermärkte, welche hochwertigere Importlebensmittel und Hygieneprodukte verkaufen und ausschlich Kartenzahlungen von Fremdwährungen wie US-Dollar und Euro entgegennehmen. Eine Packung Barrilla-Spaghetti kostet dort 1,80 US$ oder 1,49 €, 800g Erdbeermarmelade schlagen mit 6,80 US$ bzw. 5,80 € zu Buche. Hier muss teilweise mit mehrstündigen Schlangen vor dem Einlass gerechnet werden, während in vielen ehemaligen CUC-Läden derzeit vor allem ein Überangebot an Flaschenwasser herrscht, das möglicherweise durch die fehlenden Touristen zustandekommt. Auf Kleinanzeigenportalen werden Dollar für 45-60 Pesos angeboten. Die Versorgungslage bleibt weiterhin angespannt.
Trotz der widrigen Umstände haben die Kunden auf die neuen Preise reagiert: statt wie gewohnt immer die gesamte Ration abzuholen, wird jetzt an so mancher Bodega-Schlange überlegt, was wirklich benötigt wird. Gleichzeitig zeigt sich, dass mit den kostendeckenden Preisen auch die Erwartungen an die Qualität steigen. So blieben laut Berichten der Abendnachrichten tausende Brötchen unverkauft, weil das Preis-Leitungsverhältnis nicht mehr den Vorstellungen der Käufer entspricht. In manchen Provinzen betraf dies bis zu 15 Prozent der Brötchen, die jetzt einen Peso statt 5 Centavos kosten. Eine Sonderkommission stellte fest, dass die Backware statt den festgelegten 80 in manchen Fällen nur 60 Gramm wiegt, zudem wurden die hygienischen Verhältnisse in den Bäckereien kritisiert. Laut dem Wirtschaftsjournalisten Ariel Terrero sei dies eine „exzellente Neuigkeit“, denn die Rückkopplung zwischen Konsumtion und Produktion wird dadurch auch im Kerngebiet der Grundversorgung dicker. Staatliche Bäckereien könnten in Kooperativen überführt werden, was ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöht und für die Kunden ein besseres Angebot bedeute, so Terrero.
Neuigkeiten vom Arbeitsmarkt
Auch auf dem Arbeitsmarkt macht sich die Neuordnung bemerkbar: Wie Kubas „Chefreformer“ Marino Murillo twitterte, haben in den letzten Wochen mehr als 29.000 Personen auf den Arbeitsämtern aufgeschlagen, rund die Hälfte konnte vermittelt werden. Ein Ziel der Reform ist es, die Anreize zur Aufnahme einer Arbeit zu erhöhen und den Lohn wieder zur Haupteinkommensquelle zu machen. Bisher gehen auf Kuba nur rund 64% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter einer offiziellen Beschäftigung nach. Zu den 115.000 Haushalten, welche zuvor bereits staatliche Transferleistungen erhielten, kamen in den letzten Tagen 16.000 weitere hinzu.
Als zusätzliche Unterstützung bietet die Regierung für Personen mit Arbeitsvertrag einen neuen Lohnkredit in Höhe von 1000 Pesos (36 €) an, der innerhalb von 4 Monaten zurückbezahlt werden muss. Um die Vermittlung von Stellen zu beschleunigen wird das Arbeitsministerium (MTSS) am 28. Januar eine neue App an den Start bringen, welche sowohl für den Staats- als auch den Privatsektor als digitale Jobbörse funktionieren soll. Mittelfristig dürfte der Anstieg der Beschäftigugsquote jedoch nur durch die angestrebte Erweiterung des Privatsektors zu bewältigen sein, da viele Staatsunternehmen mit dem neuen Wechselkurs in finanzielle Schieflage geraten werden. Die bisherige Liste von erlaubten Berufen im Privatsektor soll durch eine Negativliste abgelöst werden, zudem sollen sich kleine und mittlere Unternehmen (KMU) auch im nicht-staatlichen Bereich gründen dürfen. Laut Einschätzung des kubanischen Volkswirtschaftlers Ricardo González von Havannas „Studienzentrum zur kubanischen Ökonomie“ (CEEC) dürfe sich die Umsetzung dieser Schritte jetzt „nicht weiter verzögern“.
Fazit
Zwei Arbeitswochen nach Beginn der Währungsreform deuten sich bereits viele Prozesse an, die im Vorfeld genau so erwartet wurden: Die Anreize zur Aufnahme einer Arbeit steigen, gleichzeitig müssen Staatsunternehmen kompetitiver agieren um in dem neuen Umfeld bestehen zu können. Die Kosten für Ineffizienz werden nicht mehr vom Staat übernommen, zugleich können diese auch nicht an die begrenzte Kaufkraft der Verbraucher weitergegeben werden. Chancen tun sich jedoch über die Verzahnung mit dem Privatsektor auf, der im neuen Modell eine größere Rolle einnehmen soll.
Dass sich die Inflation trotz der äußerst schlechten Rahmenbedingungen (Pandemie, 11-prozentige Rezession im Jahr 2020 und neue Sanktionen) bisher in Grenzen hält, darf als gutes Zeichen gewertet werden. Die mittelfristige Verbesserung der Versorgungslage hängt neben der Lockerung der US-Blockade jedoch nicht zuletzt von der kohärenten Umsetzung der im vergangenen November angekündigten Landwirtschaftsreform ab. Wie die „Granma“ meldet, wird demnächst mit dem Verkauf von Traktoren gegen US-Dollar begonnen. Nur wenige Wochen nach dem 1. Januar scheint die Neuordnung der Wirtschaft auf Kuba rasant an Fahrt aufzunehmen…