Währungsreform auf Kuba (Teil 3/3): Die Umstellung für Haushalte und Unternehmen
Veröffentlicht am 21. Dezember 2020
Im dritten und letzten Teil unserer Serie zur Währungsreform sollen zunächst die technischen Details zum Ablauf der Neuordnung erklärt werden: Wann haben nach „Tag Null“ (Día Cero) die Läden und Geschäfte wieder geöffnet? Wie funktioniert der Umtausch von Bankkonten und Ersparnissen in CUC? Darüber hinaus wirft „Cuba heute“ einen ersten Blick auf die neuen Rahmenbedingungen, unter denen Staatsunternehmen und Privatsektor im kommenden Jahr arbeiten werden.
Umtausch von Bargeld und Bankkonten
Mit dem 1. Januar 2021 wird der kubanische Peso (CUP) zur einzigen Landeswährung und damit bis auf die bekannten Ausnahmen (Dollarkonten für Einkäufe sowie Import- und Exportgeschäfte) auch zum einzigen Zahlungsmittel der Insel. Für den CUC gilt eine Umtauschfrist von 180 Tagen, die gegebenenfalls verlängert werden kann. Der Bevölkerung bleibt also noch mindestens bis zum 1. Juli, um Bargeldbestände zum bekannten Kurs von 1:24 in kubanische Pesos umzutauschen. Bis zu diesem Datum werden die bisherigen CUC-Läden diesen noch als Zahlungsmittel entgegennehmen. Bargeld kann in den staatlichen Wechselstuben (CADECA) gebührenfrei und ohne Obergrenze umgetauscht werden.
Komplizierter ist die Situation bei Bankkonten in CUC. Diese können entweder ganz oder teilweise in Pesos und Devisenzertifikate umgewandelt werden. Bei letzterer Option wird der CUC-Betrag „eingefroren“: Der Besitzer erhält von seiner Bank einen Sparbrief, welcher die zukünftige Möglichkeit einer Auszahlung in US-Dollar garantiert, „da dem Staat hierfür derzeit die Mittel fehlen“, wie Zentralbankchefin Marta Wilson González einräumte. Wann sich dies ändern wird, sei derzeit noch nicht absehbar. Der Inhaber des Zertifikats kann bis dahin nicht mehr auf das Geld zugreifen und erhält jährliche Zinsen in Höhe von 0,15 Prozent, was deutlich unter der Inflationsrate liegt. Die andere Option besteht darin, bis zum 1. Juli abzuwarten. Dann wandelt sich das Konto automatisch zum CADECA-Kurs in Pesos um. Wer bis dahin nicht zur Sparbriefbeantragung persönlich in der Bank erschienen ist, erhält Sonderzinsen in Höhe von 1,5 bis 3,5 Prozent. Wer sich umentscheiden möchte, kann jederzeit vom Sparbrief-Konto Geld abheben, womit sich dieses automatisch in Pesos umwandelt. Sämtliche CUC-Girokarten behalten ihre Gültigkeit und können weitergenutzt werden.
Digitalisierung der Bodegas, neue Kassen für den Einzelhandel
Seit dem 14. Dezember werden Kubas Geldautomaten auf Pesos umgerüstet. Reisende und Personen mit internationaler Kreditkarte können wie gewohnt die Landeswährung direkt am Automat abheben, wobei jetzt vermehrt größere Scheine von 200 (6,8 €), 500 (17 Euro) und 1000 Pesos (34 €) zum Einsatz kommen, die bisher kaum verbreitet sind. Die kleinste Denomination, mit denen die Geldautomaten bestückt werden, ist der 50 Peso Schein (1,7 €). Die Umstellung der Bankomaten soll noch vor dem 1. Januar abgeschlossen sein.
Die Bankfilialen haben ihre Öffnungszeiten auf 19 Uhr erweitert. Der letzte reguläre Bankarbeitstag wird Dienstag, der 29. Dezember sein. An den letzten beiden Tagen des Jahres werden sämtliche Banken geschlossen haben. Onlinebanking ist noch bis zum 30. Dezember 18 Uhr möglich. Danach endet das Fiskaljahr auf Kuba. Freitag, den 1. Januar 2021 um Mitternacht treten die Abschaffung des CUC und der einheitliche Wechselkurs in Kraft. Ab diesem Tag wird die Zentralbank den täglichen Kurs des Pesos in Verhältnis zu den wichtigsten Weltwährungen bekannt geben. Langfristig steht die Überlegung im Raum, für die Ermittlung des Wechselkurses eine Währungsbehörde (Currency Board) zu schaffen.
Die Renten werden seit dem 17. Dezember überwiesen. Der Überbrückungs-Lohnvorschuss von 1000 Pesos (34 €) soll am 23. Dezember folgen. Am 26. Dezember wird die Genehmigung der neuen Sozialhilfe anlaufen.
Ab Januar soll in allen Bodegas in Havanna mit dem Handy bezahlt werden können (Quelle: Twitter)
Während die Banken am 1. Januar anfangen zu arbeiten, wird der Einzelhandel über 8 Tage hinweg in mehreren Wellen wieder öffnen. Bis zum 9. Januar sollen in allen 4000 ehemaligen CUC-Geschäfte des Landes die Kassen ausgetauscht sein, so dass diese Pesos als Wechselgeld ausgeben können. Die Bodegas werden mit neuen, grün umrandeten Preistafeln des Ministeriums für Binnenhandel ausgestattet. In den 1940 Bodegas der Hauptstadt wird im Januar eine bargeldlose Bezahloption mittels QR-Code über die App „EnZona“ an den Start gehen, deren Nutzung mit einem Rabatt von 5 Prozent verbunden ist. Am 30. Dezember werden hierzu entsprechende Schulungen für Bodega-Personal und Kunden stattfinden. Die Sonder-Girokarten für Missionsteilnehmer werden weiterhin 30 Prozent Preisnachlass in allen Peso-Geschäften gewähren.
Neue Rahmenbedingungen für Staats- und Privatsektor
Staatliche Einrichtungen und Betriebe werden ihre CUC-Konten mit dem alten Wechselkurs von 1:1 in Pesos umtauschen. Kooperativen, Botschaften und Handelsvertretungen können ihre CUCs jedoch genauso wie die Bevölkerung zum Kurs 1:24 wechseln.
Mit dem neuen Wechselkurs wird sich die Kostenstruktur im Staatssektor ändern. Staatliche Firmen erhalten für jeden exportierten US-Dollar 24 statt einem Peso, müssen für Importe dann aber auch 24 Pesos pro Dollar aufwenden. Dies führt dazu, dass sich Importe statt bisher mit 9 dann mit einem Anteil von 28 Prozent am Staatshaushalt auswirken, während sich die Kosten für nationale Waren und Dienstleistungen von 34 auf 18 Prozent reduzieren. Produkte „Made in Cuba“ werden damit wortwörtlich über Nacht konkurrenzfähiger. „Wenn die Kosten nationaler Güter günstiger als Importwaren sind, beginnt die eigentliche Substitution von Importen“, so der Leiter der Reformkommission, Marino Murillo. Nur noch 42 Großhandelspreise werden ab Januar zentral festgelegt, was den Unternehmen weiterhin eine gewisse Stabilität, zugleich jedoch ausreichend Spielraum bei der Findung eines neuen Marktgleichgewichts geben soll.
Staatsunternehmen sollen wettbewerbsfähiger werden, indem sie sich über Exporte und Verkäufe in die Sonderwirtschaftszone Mariel (ZEDM) rekapitalisieren können, erklärte Murillo in einer Sondersendung zu dem Thema. Dabei bleiben 80 Prozent der Deviseneinnahmen im Betrieb. Durch das jüngste Maßnahmenpaket vom Oktober können Betriebe über den Plan hinaus die Gestaltung ihrer Produktpalette samt Preisen bestimmen, sowie Verträge untereinander und mit dem Privatsektor eingehen. Staatsunternehmen sollen weitreichende Autonomie erhalten und z.B. Projekte in US-Dollar gegenseitig finanzieren können. Zu den Zielen der Reform gehört, durch Dezentralisierung der Entscheidungen und Ressourcen die Importengpässe aufgrund knapper oder zu später Devisenzuteilungen deutlich zu reduzieren, womit sich der Liquiditätsfluss der Wirtschaft insgesamt verbessern soll. Die Fremdwährungsgeschäfte (Dollarläden) werden künftig auch nationale Produkte anbieten können und sollen einen funktionierenden Onlinehandel erhalten. Die so erzielten Einnahmen sollen je zur Hälfte für die Kapitalisierung der Industrie und die staatlichen Basisimporte (Lebensmittel, Treibstoff) aufgewendet werden.
Am 1. Januar steigen mit der Einführung der neuen Gehaltstabellen die Lohnkosten, weswegen den Betrieben ein kurzfristiger Überbrückungskredit gewährt wird. 426 der 1774 kubanischen Staatsbetriebe, rund jeder Vierte, wird ab dem „Tag Null“ (span.: Día Cero) laut Schätzungen des Wirtschaftsministeriums in eine schwere Schieflage geraten und Verluste machen. In diesem Fall kann ein Betrieb Hilfskredite beantragen, für die ein Fond in Höhe von 18 Mrd. Pesos (750 Millionen €) bereit steht. Bis zum Ende des Jahres müssen die betroffenen Betriebe einen Restrukturierungsplan vorgelegt haben, auf dessen Basis über die Gewährung weiterer Mittel entschieden wird. Als zusätzliche Hilfe starten die Staatsunternehmen mit einem Schuldenschnitt in die Währungsreform: Sämtliche, bis zum 30. Dezember offenen Forderungen werden von den Banken übernommen. Mit diesen Maßnahmen soll eine massenhafte Insolvenzwelle im Staatssektor vermieden werden, laut Murillo der zentrale Unterschied „zu einer Schocktherapie, die wir nicht durchführen“.
Neuerungen gibt es auch beim Steuersystem. Als „antiinflationäre Maßnahme“, wird die Steuerlast für Staatsbetriebe und Privatsektor ab dem kommenden Jahr spürbar reduziert werden. Die 2-prozentige Steuer auf Großhandelsverkäufe entfällt, auch andere Sondersteuern wie z.B. für Alkohol und Autoverkäufe werden nicht mehr erhoben. Der Steuerfreibetrag für den Privatsektor (inklusive der Kleinbauern) wird von 10.000 Pesos (340 €) auf 39.120 Pesos (1329 €) vervierfacht. Zudem können Privatbetriebe 100 Prozent ihrer Ausgaben geltend machen; bisher schwankt der Wert je nach Branche zwischen 60 und 80 Prozent. Privatgeschäfte, die Corona-bedingt länger als 6 Monate geschlossen hatten, müssen für dieses Jahr keine Steuererklärung abgeben.
2021 wird große Änderungen für die staatliche Gastronomie bereithalten (Quelle: Cubadebate)
Die im Rahmen der neuen Wirtschaftsstrategie angekündigte „Redimensionierung des Staatssektors“ wird mit der Währungsreform neuen Schub erhalten. Im kommenden Jahr werden 3342 der landesweit 6848 Staatsrestaurants sowie 1252 der 1316 Servicebetriebe an private Franchisenehmer verpachtet oder in Kooperativen umgewandelt, wobei die Immobilie in beiden Fällen in staatlichem Besitz verbleibt. Zu den Servicebetrieben zählen vor allem lokale Reparaturdienstleister für Haushaltsgeräte, KFZ-Werkstätten, etc. Die übrigen 3506 staatlichen Gastronomiebetriebe sollen nach einem neuen Geschäftsmodell arbeiten („autogestión“), welches nicht nur dem Namen nach an die jugoslawische Arbeiterselbstverwaltung erinnert: die Belegschaft soll autark über betriebliche Angelegenheiten wie Löhne, Entlassungen und Neueinstellungen, die Speisekarte und deren Preise entscheiden. Statt Zuteilungen vom Staat zu erhalten, müssen sich die Restaurants dann jedoch eigenständig über den Markt (unsubventionierte Preise im staatlichen Groß- und Einzelhandel, Verträge mit dem Privatsektor, etc.) mit allem notwendigen versorgen und ihre Umsätze versteuern. Damit sollen Anreize für Wettbewerb und besseren Service in den nicht gerade für ihre Qualität bekannten Staatsrestaurants Einzug halten, von denen viele mit der Währungsreform noch stärker als heute in die roten Zahlen rutschen dürften. Die ersten Gastro-Einheiten haben das neue Modell bereits im November übernommen, in einem nächsten Schritt werden 486 weitere folgen.
Die Reform der Staatsbetriebe und die parallel dazu angekündigte Öffnung des Privatsektor (Abschaffung der Lizenzkategorien und Zulassung von Privatbetrieben mittlerer Größe) hängen miteinander zusammen: Soll der Staatssektor konkurrenzfähiger werden, müssen neue Arbeitsplätze im Privatsektor geschaffen werden und sich beide Bereiche komplementär zueinander entwickeln, so Murillo. Bislang erhalten Privatbetriebe über den Staatssektor Zugang zum Außenhandel. Die angekündigte Gesetzgebung zur Zulassung von kleinen und mittleren Unternehmen (PYMES) als eigene Rechtsform steht noch aus und könnte Thema auf dem kommenden Parteitag im April werden. Nach einer Rezession von 11 Prozent im Jahr 2020 plant Kuba für nächstes Jahr ein Wachstum von 7 Prozent.
Ob der Prozess gelingt und sich der prognostizierte Anstieg der Arbeitslosenrate von 1,2 auf 1,6 als realistisch erweist, hängt nicht zuletzt von den nächsten Schritten bei der „Angleichung der Verhältnisse“ entlang der Produktionsketten ab. Ein zeitnah zum dem Jahreswechsel geplantes Gesetz soll dazu beitragen, die Versorgungs- und Beschäftigungslage zu verbessern, indem das Zusammenspiel zwischen Staats- und Privatsektor erleichtert wird: Kommunale Einrichtungen wie Schulkantinen, Bäckereien und Restaurants können und sollen mit privaten Produzenten Verträge abschließen, um neue lokale Wirtschaftskreisläufe zu schaffen. Die Änderung, Einführung oder Rücknahme von Preisobergrenzen soll von der Zentralregierung auf die Ebene der Gemeinden verlagert und damit flexibiler werden. Um günstige Rahmenbedingungen für die Erzielung niedriger Preise zu schaffen, können von den einzelnen Gemeinden Steueranreize für bestimmte Branchen verabschiedet werden. Die Maßnahmen sind Teil einer umfangreichen Landwirtschaftsreform, welche ebenfalls zu Beginn des kommenden Jahres umgesetzt werden soll.
Fazit
Mit der „Neuordnung“ (tarea ordenamiento) steht Kuba die oft verschobene „Mutter aller Reformen“ ins Haus, mit der die Umsetzung vieler Kernaspekte des neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells nicht nur möglich, sondern auch erforderlich werden. Der Währungsumtausch für die Bevölkerung dürfte im Januar weitgehend reibungslos ablaufen, komplizierter wird es jedoch für die Unternehmen. Die Betriebe werden erstmals mit „echten“ Preisen und Marktsignalen konfrontiert. Im Schutz staatlicher Kreditummantelung soll ihnen ökonomisch rationales Handeln beigebracht und Anreize zu mehr Produktivität geschaffen werden, indem einerseits die Budgetbeschränkungen für verlustbehaftete Staatsunternehmen härter werden, andererseits aber auch erwirtschaftete Deviseneinnahmen im Betrieb verbleiben.
Die direkte Steuerung von Unternehmen durch die Ministerien soll sich auf die „Kommandohöhen der Wirtschaft“ beschränken. All jene Bereiche, die nicht strategischer Natur für die Volkswirtschaft sind, sollen graduell in dezentralere Managementformen überführt werden, wobei mit verschiedenen Modellen experimentiert wird. Viele Projekte mussten in den letzten Jahren verschoben oder ausgesetzt werden, da Kuba in Zahlungsrückstände geraten ist. Mit der Neuordnung will das Land die nötigen Triebfedern für die angestrebte „Entfesselung der Produktivkräfte“ legen und damit eine Wachstumsdynamik aus der Rezession heraus erzeugen, so Wirtschaftsminister Alejandro Gil.
Das größte Risiko ab dem „Tag Null“ besteht in einem sprunghaften Anstieg der Inflation. Dabei dürfte es einige Quartale dauern, bis sich das neue Lohn- und Preisgefüge für Bevölkerung wie Betriebe einpendelt. Vieles hängt davon ab, wie die verschiedenen Akteure mit den neuen Bedingungen zurechtkommen. Die Verzahnung von Staats- und Privatsektor zusammen mit der gesteigerten Autonomie bietet den Staatsbetrieben jedenfalls eine bisher ungekannte Chance zu wachsen und über Exportverträge neue Mittel zu erwirtschaften. Inwiefern diese davon gebrauch machen und mittelfristig tatsächlich mehr Angebot auf die steigende Binnennachfrage trifft, bleibt abzuwarten. „Die Gesetze zu ändern ist das eine, viel schwieriger ist es hingegen, alte Denkweisen und Mentalitäten zu durchbrechen“, kommentierte ein Leser auf „Cubadebate“.
Währungsreform auf Kuba (Teil 3/3): Die Umstellung für Haushalte und Unternehmen