Währungsreform auf Kuba (2): Was kostet wieviel? Die neuen Löhne und Preise im Detail
Im ersten Teil der Serie zur Währungsreform wurde geklärt, welche Aspekte der Prozess überhaupt beinhaltet. In Teil 2 geht es um die neuen Löhne und Preise im Detail. Die 110 Gesetze und Verordnungen der „Neuordnung“ umfassen von der Bodega-Ration bis zum Inlandsflug bereits sämtliche Preislisten und Lohnskalen, die zum Jahreswechsel Anwendung finden. Zeit für einen ersten Überblick: Was kostet was und wer verdient bald wieviel auf Kuba? Und wie hat die Bevölkerung auf das angekündigte Lohn-Preisgefüge reagiert?
Staatlicher Medianlohn steigt auf über 100 Euro
Ab dem 1. Januar 2021 gilt auf Kuba ein landesweiter Mindestlohn von 2.100 Pesos (circa 72 €) pro Monat auf Basis einer Wochenarbeitszeit von 44 Stunden. Die neuen Gehälter im Staatssektor spreizen sich um den Faktor 4,5 und reichen von 2.100 bis 9.510 Pesos (327 €). Der Medianlohn im Staatssektor steigt von derzeit 879 (30 €) auf über 3.000 Pesos (103 €). Die neue Lohnskala umfasst jetzt 32 Komplexitätsgruppen und wird die bisherigen, von Betrieb zu Betrieb unterschiedlichen Prämiensysteme vereinheitlichen.
→ Die Tabellen zu den jeweils besprochenen Preis- und Lohnbeispielen finden Sie am Ende des Artikels mitsamt der Quellenangabe. Die Umrechnungen in Euro sind auf Basis des USD-EUR Tageskurses vom 14./15. Dezember 2020 erfolgt.
Von der neuen Lohnskala sollen vor allem die unteren Einkommensgruppen profitieren, so der Leiter der Reformkommission, Marino Murillo am Samstag in einer Sondersendung zu dem Thema: Während die Löhne der 3,1 Millionen Staatsangestellten durchschnittlich um den Faktor 4,9 ansteigen, falle der Anstieg in den niedrigsten Besoldungsgruppen 1-5 mit dem Faktor 5,3 bis 5,0 überproportional hoch aus.
Auch soll mit ihnen die „umgekehrte Lohnpyramide“ beseitigt werden, wonach steigende Verantwortung oft mit niedriger Vergütung einhergeht. Mit der neuen Lohnskala sollen mehr Anreize für Weiterqualifizierung geschaffen werden, was staatlichen Arbeitgebern helfen soll, Beschäftigte durch eine attraktivere Gehaltsentwicklung in Konkurrenz mit dem Privatsektor langfristig besser an sich zu binden. Gleichzeitig steigt aber auch die Erwartung an die Arbeitsleistung.
Wer verdient wieviel?
Das Einstiegsgehalt einer Pflegekraft liegt jetzt bei 3100 Pesos (107 €) und steigt in vier Stufen auf bis zu 4610 Pesos (158 €) für die höchste Fortbildungsstufe. Der Lohn eines Grundschullehrers beträgt 4.010 Pesos (138 €). Ein Hochschuldozent verdient mit 5.060 Pesos (174 €) genau gleich viel wie ein Familienarzt im ersten Jahr. Ein Facharzt mit zwei Spezialisierungen verdient 5.810 Pesos (200 €). Der Leiter einer Behörde oder ein Betriebsdirektor wird mindestens 7.310 Pesos (252 €) erhalten. Ein Bürgermeister wird mit 7660 Pesos (263 €) und ein Gouverneur mit 8.510 Pesos (293 €) entlohnt.
In der Industrie und anderen staatlichen Betrieben, die nicht zum haushaltsfinanzierten Sektor (Bildungswesen, Gesundheitssystem, öffentliche Dienste, etc.) gehören und in denen die Hälfte aller staatlichen Arbeiter auf Kuba beschäftigt sind, gelten grundsätzlich die selben Lohnskalen. Dort ist die Lohnentwicklung jedoch seit Beginn der 2015 gestarteten Dezentralisierung deutlich dynamischer als im haushaltsfinanzierten Sektor. Ziel der Maßnahmen ist es, die Löhne stärker an das Arbeitsergebnis zu koppeln indem den Betrieben mehr Autonomie in der Geschäftsführung gewährt wird. 2016 wurden in der Zuckerindustrie erstmals vierstellige Gehälter erreicht. Der Durchschnittslohn im staatlichen Baugewerbe zog von 971 Pesos (33 €) im Jahr 2017 bis Ende 2019 auf 1597 Pesos (55 €) an und war damit fast doppelt so hoch wie im haushaltsfinanzierten Sektor. Zuletzt wurde im Oktober die Deckelung der maximalen Prämienhöhe aufgehoben. Murillo kommentierte dazu: „In Zukunft werden Sie einen Unterschied merken, wenn Sie in einem Unternehmen arbeiten, das Gewinne macht, oder nicht“. Wie die Gehälter samt Prämien in den Staatsbetrieben ausfallen, wird sicher jedoch erst im Laufe der nächsten Monaten zeigen, denn auch der staatliche Großhandel und Agrarsektor wird mit neuen Preisen arbeiten, die sich erst einpendeln müssen.
Erstmals kommen jetzt auf alle Löhne Sozialabgaben in Höhe von fünf Prozent, die der Finanzierung der öffentlichen Altersvorsorge dienen. Staatsangestellte mit einem Lohn ab 3260 Pesos (112 €) müssten ihre Gehälter jetzt mit 3 Prozent versteuern (bisher galt dies nur für Beschäftigte des Privatsektors). Mit der Gehaltsgruppe ab 9510 Pesos (327 €) gilt ein Einkommenssteuersatz von 5 Prozent. Personen, die ihr Einkommen im Ausland verdienen (z.B. Sportler und Künstler, ausgenommen sind Personen auf offiziellen Missionen), müssen dieses zusätzlich mit 4 Prozent versteuern.
Die Mindestrente wurde von 280 auf 1.528 Pesos (von circa 9,5 auf circa 52 €) erhöht. Ab einer Rente von 501 Pesos gilt: Bisherige Bezüge + 1.528 Pesos (siehe Grafik). Jene 1.528 Pesos sind exakt die Summe des Basis-Warenkorbs (span.: canasta básica), der von der Regierung als Existenzminimum berechnet wurde. Darin sind neben den Produkten des Rationierungsheftchens „Libreta“ (die 282 Pesos kosten) weitere Posten wie zusätzliche Lebensmittel (für 517 Pesos), Kleidung, Nebenkosten, Transport und Hygieneprodukte enthalten (729 Pesos). 52 Prozent des Warenkorbs verteilen sich auf Nahrungsmittel. Nach den Berechnungen soll mit dem Betrag der canasta básica eine tägliche Kalorienzufuhr von 2.100 kcal am Tag sichergestellt werden können.
Was kostet was? Die neuen Preise im Überblick
Den augenscheinlichsten Änderungen gibt es bei vielen Libreta-Produkten, welche in den staatlichen „Bodega“-Geschäften bisher nur mit symbolischen Preisen belegt waren. Sie werden ab dem „Tag Null“ (span.: día cero) der Währungsreform am 1. Januar zum unsubventionierten Selbstkostenpreis verkauft: So wird für ein Pfund (= Libra, umfasst in Kuba 460g) statt 0,25 CUP (circa 0,009 Euro) dann 6 Pesos (20 Eurocent) verlangt. Ein Pfund Pflanzenöl wird statt 0,40 Pesos mit 12 Pesos zu Buche schlagen. Die monatliche Hühnerfleischration von 800 Gramm, die bisher 0,70 Pesos pro Pfund kostete, wird jetzt für 20 Pesos pro Pfund verkauft. Ein Pfund schwarze Bohnen kosten 14 statt 1,30 Pesos. Der Eierpreis wird von 0,15 Pesos auf 2,20 Pesos angehoben. Ein Brötchen (80g) kostet 1 Peso statt 5 Centavos. Die bisherigen Preise bei Sonderzuteilungen für Schwangere und Kleinkinder sowie speziellen medizinischen Diäten (in der Regel Rindfleisch und Milch) werden beibehalten.
Die Medikamentenpreise für chronische Erkrankungen sollen gleich bleiben, allerdings werden die Preise für Antibiotika und andere temporär eingesetzte Medizin sowie Prothesen nach dem Stichtag im Januar anziehen. Das gros der Arzneien wird in den Apotheken dann zwischen 3 und 18 Pesos (10 bis 60 Eurocent) bepreist sein, was einem eher moderaten Anstieg gleichkommt. Brillen und Optikerdienste sollen weiterhin stark subventioniert bleiben, Zahnprothesen können aber bis zu 360 Pesos (12 €) kosten.
Zur Berechnung der Lebensmittel- und Hygieneartikelpreise in den bisherigen CUC-Supermärkten wurden die CUC-Preise mit 25 multipliziert und ziehen damit um 4 Prozent an, haben ansonsten jedoch seit der Preissenkung 2016 keine Änderung mehr erfahren: Hähnchenschenkel kosten 45 Pesos (1,54 €) pro Kilo. Ein halber Liter Sojaöl ist für 23,75 Pesos (82 Eurocent) gelistet und die 500g-Packung Spaghetti á 22,5 Pesos (77 Eurocent). Ein halbes Kilo Kaffee kann je nach Marke zwischen 150 und 600 Pesos (5,15 und 21 €) kosten. Eine Dosenlimonade (span.: refresco) wird im staatlichen Einzelhandel je nach Geschmacksrichtung für 12-15 Pesos (40-50 Eurocent) verkauft, Biere der heimischen Marken Bucanero und Cristal für 30 Pesos (1,03 €). Auch der „klassische“ 100g-Hamburger-Bratling mit 17 Pesos (57 Eurocent) und der kubanische Standardkäse (queso fundido) mit 55 Pesos pro Pfund (1,89 €) finden sich in den Preislisten. 500g Waschmittel und eine Tube Zahnpasta aus nationaler Produktion sind ab 22,5 Pesos (77 Eurocent) gelistet.
Die Internet und Telekommunikationspreise werden nach dem selben Kurs umgerechnet: Ein Telefonanschluss (inklusive 300 Freiminuten) kostet 20 Pesos (0,68 €) pro Monat und die lokale Gesprächsminute 0,09 Pesos (0,003 €). Am öffentlichen WiFi-Hotspot werden jetzt 25 Pesos (86 Eurocent) pro Stunde fällig. Nach der jüngsten Preissenkung bei den DSL-Verträgen kostet der günstigste Haustarif (30h á 1 Mbit) 250 Pesos (8,60 €) pro Monat. Das häufig auf monatlicher Basis genutzte 1 GB LTE-Mobildatenpaket ist mit 100 Pesos (3,40 €) bepreist, was nach der neuen Skala 4,8 Prozent des Mindestlohns entspricht.
Teurer wird es beim Transport. So kostet eine Busfahrt in Havanna ab nächstem Jahr zwei Pesos (7 Eurocent) statt bisher 40 Centavos (1 Eurocent). In den übrigen Provinzen wurde der Stadtbuspreis von 20 Centavos auf einen Peso (3 Eurocent) angehoben. Eine Zugfahrt von Guantánamo in die Hauptstadt (ca. 930 km) kostet jetzt 138 Pesos (4,70 €) in der klimatisierten ersten Klasse bzw. 100 Pesos (3,40 €) in der zweiten Klasse, jeweils rund ein Drittel mehr als bisher. Damit ist die Schiene jedoch noch immer deutlich attraktiver als die etwas schnellere Fernbusgesellschaft Astro, die für die selbe Strecke 280 Pesos (10 €) verlangt. Der teuerste Inlandsflug von Havanna nach Baracoa schlägt mit 1350 Pesos (46 €) zu Buche. Ein Liter Diesel oder Benzin (90 Oktan) kostet ab Januar 25 Pesos (86 Eurocent).
Kontroverse Debatten sind in den Kommentarspalten kubanischer Medien um die neuen Stromtarife entbrannt. Bisher wird der Preis für elektrische Energie auf Kuba zu rund 80 Prozent subventioniert. Für die Bezuschussung des Stromverbrauchs der Privathaushalte müssen jährlich die Hälfte aller staatlichen Subventionsmittel aufgewandt werden. Jetzt werden für die Kilowattstunde im kleinsten Tarif (bis zu 100 kWh) 0,40 statt 0,09 Pesos fällig, womit sich das Basislevel im Strompreis um den Faktor 4,4 verteuert. Für die Gruppe mit den zweitmeisten Kunden, bis 200 kWh, erhöht sich die monatliche Stromrechnung damit von 44 (1,50 €) auf 192,5 Pesos (8 €). Ab 500 kWh im Monat steigt der Preis von 1459 (50 €) auf 7269 Pesos (249 €) empfindlich an, die Kilowattstunde wird dann mit 10 Pesos (0,34 €) verrechnet.
In einer eigens einberufenen Sondersendung zu dem Thema versuchte Murillo die Wogen zu glätten: Obwohl der hohe Importanteil von Öl und Diesel für die Stromerzeugung dem Land große Schwierigkeiten bereite, würden weiterhin 89 Prozent der Haushalte keinen kostendeckenden Strompreis bezahlen. Für die 22,5 Prozent der Bevölkerung, welche nur bis zu 100 kWh verbrauchen, steige die monatliche Stromrechnung von 9 auf 40 Pesos (von 0,31 € auf 1,37 €) und mache damit prozentual einen geringeren Anteil am Warenkorb aus als bisher. Zudem müsse mitgedacht werden, dass sich die Stromrechnung auf alle Einkommen der 2,9 Personen verteilt, welche durchschnittlich in einem kubanischen Haushalt wohnen, so Murillo. Dennoch ist klar: Stromsparen dürfte auf Kuba noch mehr als bisher an Bedeutung gewinnen, die Anschaffung von Klimaanlagen und zusätzlichen Verbrauchern wie großen Tiefkühltruhen wird von Privathaushalten wie Geschäften künftig genau durchgerechnet werden. Der dezentrale Ausbau erneuerbarer Energien durch Privathaushalte mit der angekündigten Möglichkeit, Solarenergie gegen Vergütung ins Netz einzuspeisen, könnte dadurch jedoch einen neuen Schub erhalten.
Damit die Bevölkerung im Januar angesichts der neuen Preise auch ohne die traditionell zum Monatsende ausbezahlten Löhne mitziehen kann, wird am 23. Dezember ein einmaliger Überbrückungsvorschuss von 1.000 Pesos (34 €) an Staatsangestellte und Rentner überwiesen, der im Februar wieder automatisch abgezogen wird.
Einkommensschwachen Haushalten und vulnerablen Gruppen steht ab dem 26. Dezember eine neue Sozialhilfe in Höhe von 1.260 Pesos (43 €) bzw. 60 Prozent des Mindestlohns zu. Davon Gebrauch machen dürften die meisten der 119.000 Haushalte, die aufgrund niedriger Einkommen bereits jetzt zusätzliche staatliche Unterstützungsmaßnahmen erhalten. Sozialarbeiter suchen seit einigen Wochen nach möglichen weiteren gefährdeten Haushalten, so dass die Beantragung nach einer kurzen Bedarfsprüfung durch die Kommune relativ schnell vonstatten gehen soll. Lebt mehr als eine Person in einem vulnerablen Haushalt, werden auf die 1.260 Pesos pro Person weitere 800 Pesos (27 €) aufgeschlagen, so dass die maximale Sozialhilfe ab 5 Personen 4460 Pesos (115 €) pro Monat beträgt.
Die Bevölkerung hat die Neuerungen in den vergangenen Tagen mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Weitere Sondersendungen sollen in den kommenden Tagen mehr Aspekte der neuen Lohn-, Preis-, und Subventionspolitik erörtern. „Vor allem bei den älteren Leute mit ihren größeren Gesundheitsausgaben gibt es Sorgen, aber wir gehen davon aus, dass all dies im Vorfeld mitgedacht wurde“, kommentierte eine Rentnerin gegenüber dem kubanischen Fernsehen.
Wie Präsident Miguel Díaz-Canel einräumte, sei der Prozess „nicht ohne Risiko“. Zwar sind die Lohn- und Preistabellen so gerechnet, dass die Löhne zum Stichtag mehr als doppelt so hoch steigen werden wie die Preise, also theoretisch jeder Haushalt an Kaufkraft gewinnen sollte. In der Praxis durchlebt Kubas Wirtschaft gerade eine schwere Rezession und der Mangel an Devisen hat das Angebot in den Läden ab Mitte des Jahres ausgedünnt. Die steigende Nachfrage in Folge der neuen Löhne wird die Preise auf den Bauernmärkten und nicht zuletzt auch in der sich neu abtastenden Staatsindustrie steigen lassen. Für den Privatsektor wurde bereits im Vorfeld eine 300-prozentige Spanne für Preiszuwächse definiert, die unter der staatlichen Lohnsteigerung um den Faktor 4,9 liegt. Problematisch würde es, wenn die Inflation deutlich größer als erwartet ausfällt und länger anhält. Díaz-Canel kündigte an, nötigenfalls Maßnahmen gegen Preisspekulation zu ergreifen.
Anhang: Auszüge aus den neuen Lohn- und Preistabellen ab 1. Januar 2021
Neue Lohnskala und Lohntabelle des Gesundheitswesens
(Quelle: Gaceta Oficial No. 69 Extraordinaria, S. 599f., 636)
Die neuen Preise für Bodega-Produkte, Elektrizität, Gas und Treibstoffe
(Quelle: Gaceta Oficial No. 68 Extraordinaria, S. 562ff.)
Einzelhandelspreise für Lebensmittel und Hygieneprodukte (Auszug)
(Quelle: Gaceta Oficial No. 71 Extraordinaria, S. 889ff.)