Souveräne Entscheidung
Venezuela: Regierungslager gewinnt Parlamentswahl eindeutig. Rechte Opposition verliert Kontrolle über Nationalversammlung
Von Frederic Schnatterer
Das neben der regierenden PSUV acht weitere Parteien umfassende Bündnis »Großer Patriotischer Pol« hat die Parlamentswahl in Venezuela am Sonntag klar gewonnen. Das teilte der Nationale Wahlrat (CNE) in der Nacht zum Montag nach Auszählung von 82,35 Prozent der abgegebenen Stimmen mit. Bei einer Pressekonferenz erklärte die CNE-Vorsitzende Indira Alfonzo, 67,6 Prozent hätten das Regierungslager gewählt. Weit abgeschlagen folgt auf dem zweiten Platz das Oppositionsbündnis der moderaten Rechten, »Demokratische Allianz«, mit etwa 18 Prozent. Weitere rechtsoppositionelle Kandidaten kamen auf ungefähr zwölf Prozent. Die »Revolutionäre Volksalternative«, an der auch die Kommunistische Partei beteiligt ist, erreichte 2,73 Prozent.
An der Wahl, die von einer schweren Wirtschaftskrise und der Coronapandemie geprägt war, beteiligten sich laut CNE rund 31 Prozent der insgesamt mehr als 20 Millionen Abstimmungsberechtigten. Die neugewählten Abgeordneten der Nationalversammlung nehmen planmäßig am 5. Januar 2021 ihre Sitze ein, ihr Mandat gilt für fünf Jahre. Da die Kombination aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht tendenziell die stärkste Kraft bevorzugt, kann das Regierungslager mit einer Zweidrittelmehrheit im neuen Parlament rechnen.
Mit der Parlamentswahl verliert die rechte Opposition nunmehr auch die letzte Institution, in der sie noch über eine Mehrheit verfügt hat. 2015 hatte sie die Kontrolle über die Nationalversammlung übernommen. Anfang 2019 rief sich der zu diesem Zeitpunkt das Amt des Parlamentspräsidenten ausübende Juan Guaidó zum »Übergangspräsidenten« aus. Trotz immer weiter schwindenden Einflusses hält er auch zwei Jahre später an dieser Rolle als »Oppositionsführer« fest.
Guaidó sowie die rechtesten Teile der Opposition hatten bereits im Vorfeld der Wahl von »Betrug« gesprochen und dazu aufgerufen, der Abstimmung fernzubleiben. Statt dessen setzt der selbsternannte »Interimspräsident« auf eine »Volksbefragung« über die Zukunft des gewählten Präsidenten Nicolás Maduro. Seit vergangenem Sonnabend und noch bis zum 12. Dezember sind »Venezolaner im In- und Ausland« zur Stimmabgabe aufgerufen, für den kommenden Sonnabend ist eine Demonstration geplant.
Nach Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses gratulierte Maduro dem venezolanischen Volk zum Wahltag. In einem auf seinem Twitter-Account veröffentlichten Video erklärte der Staatschef: »Wir haben eine neue Nationalversammlung, wir haben einen gewaltigen und gigantischen Sieg errungen.« Zugleich betonte er, die Abstimmung stelle »ohne Zweifel« einen »großen Sieg für die Demokratie« dar. Nun müsse auch die Opposition »mit einer Stimme« die neue US-Regierung unter Joseph Biden dazu auffordern, »alle Sanktionen aufzuheben«.
Während unter anderem die Europäische Union die Einladung zur Entsendung von Wahlbeobachtern ausgeschlagen hatte, folgten mehr als 34 Staaten dem Ruf aus Caracas. Knapp 1.500 Beobachter und 300 Repräsentanten wachten am Sonntag über einen geregelten und fairen Ablauf der Abstimmung – unter ihnen Spaniens früherer Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero. Der forderte Brüssel dazu auf, den Kurs gegenüber Venezuela zu überdenken. Die vergangenen Jahre hätten klargemacht, dass »Sanktionen nicht weiterhelfen«. Statt dessen brauche es einen »Ton des Respekts und der Nichteinmischung«.
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