Erneuter Verfassungsbruch
Venezuela: Guaidós Lager verlängert Mandat von eigener Nationalversammlung. Staatschef Maduro vertraut auf Justiz
Von Frederic Schnatterer
Der Oppositionspolitiker Juan Guaidó hält es mit der venezolanischen Verfassung nicht so genau. Das bewies er am Sonnabend erneut. Wie unter anderem Reuters meldete, beschloss die vom selbsternannten »Übergangspräsidenten« kontrollierte »Nationalversammlung«, ihr Mandat eigenmächtig um ein weiteres Jahr zu verlängern. Als Argument für den Verfassungsbruch dient die angebliche »Illegitimität« der Parlamentswahl am 6. Dezember.
Bei der Wahl hatte das Regierungslager von Präsident Nicolás Maduro einen eindeutigen Sieg errungen, in der sich am 5. Januar konstituierenden Nationalversammlung wird die rechte Opposition praktisch keine Rolle mehr spielen. Dadurch verliert auch Guaidós Behauptung, er sei das rechtmäßige Oberhaupt des Landes, das letzte bisschen Plausibilität. Seine Argumentation basiert auf seiner Funktion als Parlamentspräsident, in der er sich Anfang 2019 zum »Interimspräsidenten« ausgerufen hatte. Als die Nationalversammlung Anfang 2020 turnusgemäß einen neuen Vorsitzenden wählte, gründete Guaidó mit ihm Getreuen kurzerhand ein eigenes Parlament – und ließ sich erneut zum Oberhaupt wählen.
Zwar scheinen weder westliche Medien noch ihre Regierungen angesichts des neuerlichen Verfassungsbruchs gewillt, auch nur über ihre Unterstützung für Guaidó nachzudenken. Eine Gefahr für die venezolanische Regierung dürfte der Schritt allerdings nicht darstellen. Das demonstrierte auch Maduro am Montag (Ortszeit). Bei einem Auftritt im Staatsfernsehen zu Ehren der Streitkräfte erklärte der Präsident gelassen, er vertraue darauf, dass »das Justizsystem seine Arbeit« angesichts der »verfassungswidrigen Ansprüche« mit »eiserner Faust erledigen« werde.
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