Bolivien ist zurück
Junge MAS-Regierung treibt Normalisierung internationaler Beziehungen voran. Ermittlungen gegen Morales eingestellt
Von Frederic Schnatterer
Gut fünf Wochen nach Übernahme der Amtsgeschäfte bemüht sich die noch junge bolivianische Regierung um eine Normalisierung der internationalen Beziehungen des Landes. Am Montag (Ortszeit) feierte Präsident Luis Arce von der linken Bewegung zum Sozialismus (MAS) die offizielle Rückkehr Boliviens in das Staatenbündnis ALBA-TCP (Bolivarische Allianz für die Völker unseres Amerikas – Handelsvertrag der Völker) – und damit zu einem wichtigen Projekt der progressiven lateinamerikanischen Linken. Bei dem wegen der Coronapandemie virtuell abgehaltenen 18. Gipfeltreffen der Organisation erklärte Arce: »Wir bekräftigen unser Bekenntnis zu den Prinzipien der Solidarität, der Zusammenarbeit, der Komplementarität, des gegenseitigen Respekts für das Leben in unseren Ländern, die Gerechtigkeit, die Gleichheit und die Achtung der kulturellen Vielfalt.«
Mehr als ein Jahr lang hatte der Andenstaat nicht zu ALBA-TCP gehört. Nach dem Staatsstreich gegen die Regierung des langjährigen Präsidenten Evo Morales verkündeten die Putschisten im November 2019 den Rückzug aus der vor 16 Jahren von Fidel Castro und Hugo Chávez gegründeten Organisation. Der Sieg bei den Wahlen am 18. Oktober dieses Jahres, bei der sich die MAS-Kandidaten Arce sowie sein Vize Davíd Choquehuanca bereits in der ersten Runde mit mehr als 55 Prozent der Stimmen durchsetzen konnten, läutete den Anfang vom Ende der internationalen Rechtspositionierung Boliviens ein.
Am Montag nun wählten die zehn ALBA-TCP-Mitgliedstaaten den Bolivianer Sacha Llorenti einstimmig zum Nachfolger von Choquehuanca, der das Amt des Generalsekretärs seit 2017 innegehabt hatte. Llorenti war zuvor Botschafter Boliviens bei den Vereinten Nationen gewesen. In der Sitzung drängten die Staats- und Regierungschefs auf eine verstärkte Kooperation angesichts rechter Angriffe auf die linken Regierungen der Region. Auch die Bewältigung der Coronakrise nahm einen bedeutenden Platz ein. So schlug Venezuelas Präsident Nicolás Maduro vor, gemeinsam mit Kuba eine Impfstoffbank aufzubauen. Eine solche solle den Bedarf aller Mitgliedstaaten decken und die Impfung der Bevölkerung gegen Covid-19 garantieren. Kubas Staatschef Miguel Díaz-Canel erklärte, für die Zeit nach der Pandemie müsse ein Plan entworfen werden – »ökonomisch, den Handel betreffend und finanziell«.
Die offizielle Wiedereingliederung in das Staatenbündnis ALBA-TCP ist jedoch nur einer von vielen Schritten, die die MAS-Regierung derzeit unternimmt, um die durch die Putschregierung angerichteten Schäden zu beseitigen. Ebenfalls Anfang dieser Woche verkündete der Außenminister Rogelio Mayta die Wiederaufnahme der vor fast einem Jahr abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zu Venezuela, Mexiko, Kuba, Nicaragua, Iran und Argentinien. »Der bolivianische Staat muss – die Souveränität achtend – Beziehungen mit allen Ländern der Welt unterhalten.« Mit der Entscheidung kehre Bolivien auf die »internationale Bühne« zurück, auf die Morales das Land während seiner Amtszeit geführt habe, so Mayta weiter. Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu »befreundeten Staaten« durch die Putschregierung »auf Befehl der Vereinigten Staaten« habe »unnötige und übertriebene Spannungen« mit sich gebracht.
Unterdessen wurden auch die Ermittlungen gegen den ehemaligen Präsidenten Morales wegen angeblicher Wahlfälschung fallengelassen, wie bolivianische Medien am Montag abend berichteten. Im Februar hatte der Rechtskonservative Carlos Mesa, der Morales bei der Wahl im Oktober 2019 unterlegen war, Klage eingereicht. Die Entscheidung der Richter, die die Anschuldigungen nun für nichtig erklärten, entkräftet ein weiteres Mal den Vorwurf der Manipulation, mit dem der Putsch gegen die MAS – angeheizt durch die Verbündeten Washingtons in der Region – begründet worden war.