Murillo gibt weitere Details zur Währungsreform bekannt
Veröffentlicht am 5. November 2020
In seiner Rede vor dem Parlament hat Kubas Chefreformer Marino Murillo vergangene Woche neue Details zur bevorstehenden Währungsreform bekannt gegeben. Viele Fragen seien aufgekommen, nachdem Mitte Oktober die wichtigsten Inhalte des Maßnahmenpakets in einer Sondersendung erstmals vorgestellt wurden, so Murillo. In seiner jüngsten Rede, die mehrfach um Fernsehen ausgestrahlt wurde, ging der Ökonom auch auf sensible Themen wie den Abbau von Subventionen ein.
Lange Zeit schien Marino Murillo wie vom Erdboden verschluckt. Zweimal war der 59-jährige, der einst in der Sowjetunion studiert hat, bereits Wirtschaftsminister in der Ära Raúl Castro. Ab 2011 stand er als Leiter der neu gegründeten Reformkommission oft im Mittelpunkt der Parlamentssitzungen. Vor vor vier Jahren wurde er als Wirtschaftsminister abgelöst, behielt allerdings seinen Posten als Chef der Kommission. Mit der Verlangsamung der wirtschaftlichen Transformationen ab 2016 rückte auch Murillo aus dem Fokus der kubanischen Politik. Jetzt ist er wieder zurück – und mit der schwierigen Aufgabe betraut, die Umsetzung der immer wieder verschobenen Währungsreform zu koordinieren.
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In seiner Rede ging Murillo nochmals auf die Notwendigkeit der Vereinheitlichung der beiden Währungen und Wechselkursen ein. Mit der Abschaffung des CUC soll zugleich der kubanische Peso im Unternehmenssektor abgewertet werden, wo sein Wechselkurs bisher noch 1:1 zum US-Dollar beträgt. Dadurch werden Importe künstlich verbillig, Preise verzerrt und falsche Anreize gesetzt. Dies trägt zur Ineffizienz der Unternehmen bei, was zur bekannten niedrigen Kaufkraft Löhne auf Kuba führt. Um diese auszugleichen wurde ein umfangreiches an Netz an Subventionen und Gratisleistungen geschaffen.
„All diese Maßnahmen waren zu ihrer Zeit berechtigt, aber inzwischen verursachen sie große Probleme“, erklärte Murillo die Subventionspolitik. Heute gehen lediglich 63,8 Prozent der Kubaner im arbeitsfähigen Alter einer festen Beschäftigung nach. Ziel der Reform sei es, dass die Arbeit wieder zur Hauptquelle für den Bezug von Waren und Dienstleistungen werde. Dafür müssten die Unternehmen deutlich effizienter werden, weshalb die Währungsreform von einer Reform der Staatsbetriebe flankiert wird, deren Regularien bereits verabschiedet wurden.
Zu deren zentralen Maßnahmen zählt die Aufhebung sämtlicher Limitierungen bei der Ausschüttung von Prämien. Während Kooperativen ihre Gewinne gemäß ihren Einnahmen verteilen dürfen, seien die Staatsbetriebe hier vom Gesetz benachteiligt worden. „In Zukunft werden Sie einen Unterschied merken, wenn Sie in einem Unternehmen arbeiten, das Gewinne macht, oder nicht“, führte Murillo aus. Bei einer Simulation in Zusammenarbeit mit Wirtschaftsexperten der Universitäten, an der 1717 Betriebe teilnahmen, habe sich gezeigt, dass vor allem Exportunternehmen mit der Peso-Abwertung deutlich größere Gewinne einfahren werden. Betriebe mit Verlusten werden für mindestens ein Jahr vom Staat unterstützt, müssen bis dahin aber ein Restrukturierungsprogramm vorlegen. Weitere Kredite müssen dann einzeln genehmigt werden und nicht mehr wie bisher automatisch zugeteilt. Die bisher übliche extrem weiche Budgetbeschränkung soll schrittweise härter werden. Es könne nicht angehen, dass in fünf Jahren noch immer zahlreiche Betriebe Zuschüsse erhalten, so Murillo. Für die Gastronomie und andere lokale Staatsbetriebe wird es keine Schonfrist geben, diese sollen bei Verlusten zügig geschlossen bzw. privatisiert werden. „Der Staatshaushalt ist nicht dazu da, um Unternehmen zu subventionieren, sondern die Unternehmen müssen zum Staatshaushalt beitragen“, erklärte Murillo den Paradigmenwechsel.
Ein weiterer Bestandteil der Währungsreform ist die schrittweise Freigabe der Preise. Künftig sollen nur noch 42 Preise zentral festgelegt werden, darunter vor allem jene mit Multiplikatoreffekt für weite Bereiche der Wirtschaft wie z.B. Strom, Treibstoff oder Zement. Die staatliche Agrargesellschaft Acopio, deren Monopol im Rahmen einer Landwirtschaftsreform aufgebrochen werden soll, wird darüber hinaus die Ankaufpreise von 30 Grundnahrungsmitteln innerhalb des Unternehmens zentralisiert halten. Die übrigen Preise in der Wirtschaft dürfen zunächst für ein Jahr lang nur innerhalb bestimmter Grenzen oszillieren um die Inflation zu kontrollieren, danach werden diese Limits abgeschafft und Marktpreise sollen sich durchsetzen. Damit verspricht sich die Regierung bessere Anreize für Produzenten, was die heimische Produktion gegenüber Importen konkurrenzfähiger machen soll.
Anders als in anderen Ländern soll in Kuba angesichts der einschneidenden Transformationen niemand schutzlos zurückgelassen werden. Dabei könne die Politik der umfassenden Subvention von Preisen nicht fortgesetzt werden. „Es wird keine Schocktherapien geben, aber es müssen Anpassungen vorgenommen werden“, sagte Murillo. So soll mit der Währungsreform auch der Anfang vom Ende des staatlichen Bezugshefts „Libreta“ eingeläutet werden. Vollständige Subventionen (auf Basis der heutigen Preise) wird es nur noch für die Zuteilungen für Kinder bis zu sechs Jahren sowie für Medikamente bei chronischen Erkrankungen geben (als Beispiel nannte Murillo das Metformin für Diabetiker). Bei den übrigen Medikamenten werden, ebenso wie für Strom und Lebensmittel, die Subventionen stark zurückgefahren.
Um diese Kürzungen auszugleichen werden die Löhne und Pensionen deutlich steigen, und zwar um den Faktor 4,9 bzw. 5,0. So soll der durchschnittliche Warenkorb bereits mit dem Mindestlohn bezahlbar sein, dennoch würden die Lohnsteigerungen nicht für alle Haushalte ausreichen, um ihre Kosten zu decken. Die Vertreter der Gemeinden sind daher aufgerufen, vulnerable Gruppen bereits im Vorfeld der Reform zu identifizieren. Diese können beim Sozialarbeiter ihrer Kommune künftig staatliche Transferleistungen beantragen, über deren Genehmigung auf kommunaler Ebene entschieden werden muss. Noch im ersten halben Jahr nach Beginn der Reform sollen alle dazu berechtigten Personen die neue Sozialhilfe erhalten.
Weitere Neuerungen gibt es beim Steuersystem. Künftig müssen auch Staatsangestellte mindestens 5 Prozent ihres Lohns in die Rentenkasse einbezahlen und ihre Einkommen versteuern, bisher galt dies nur für Selbstständige und Künstler. Um Geringverdiener zu entlasten, wird der Steuerfreibetrag erhöht. Auch Privatbetriebe sollen von deutlichen Steuererleichterungen profitieren, zudem sollen deren Preise künftig über neue Kanäle mit den Behörde ausgehandelt werden können um administrative Eingriffe zu vermeiden. „Wir erwarten ab diesem Moment jedoch auch, dass der Privatsektor dann mit sozialer Verantwortung handelt“, formulierte Murillo die Erwartungen der Regierung das neue Verhältnis zwischen Staat und Privatsektor.