Lächerliches Spektakel
Bolivien: Provokation und Widerstand rechter Putschistenregierung und ihrer Anhänger vor Amtsübergabe an linke MAS
Von Volker Hermsdorf
In Bolivien wehren sich die Vertreter des Putschregimes und deren Gefolgsleute vor der für Sonntag vorgesehenen Amtsübergabe an die gewählte Regierung unter Präsident Luis Arce und dessen Vize David Choquehuanca verzweifelt gegen den Verlust der politischen Macht. Während in einigen rechten Hochburgen des Departamento Santa Cruz ein gewalttätiger Mob versucht, das mit mehr als 55 Prozent der Stimmen für die linke Bewegung zum Sozialismus (MAS) eindeutige Wahlergebnis in Frage zu stellen, inszenierte das noch von den Putschisten besetzte Außenministerium ein lächerliches Spektakel um die Einladung der Gäste zu Arces Amtseinführung.
Nach dem Willen der noch amtierenden Machthaber sollen weder Vertreter Kubas noch der gewählte Präsident Venezuelas, Nicolás Maduro, an den Feierlichkeiten teilnehmen. Auch der von den Rechten vor einem Jahr gestürzte Expräsident Evo Morales darf nicht dabei sein, wenn Arce und Choquehuanca, als Wahlsieger der Partei MAS, am Sonntag ihre Ämter antreten. Statt dessen provozieren die Putschisten durch Einladung des selbsternannten »Übergangspräsidenten« Venezuelas, Juan Guaidó, gegen den in den vergangenen Tagen neue Beweise für seine Beteiligung an einem Invasionsversuch und der Entführung des legitimen Staatsoberhaupts präsentiert wurden.
Die Provokation der Rechten hat System. Zwei Tage nach dem Sieg von Arce, der bereits erklärt hatte, Maduro als rechtmäßigen Staats- und Regierungschef Venezuelas anzuerkennen, nahm die durch den Putsch an die Macht gelangte De-facto-Präsidentin Jeanine Áñez am 20. Oktober das »Beglaubigungsschreiben« eines von Guaidó ernannten »Botschafters« entgegen.
Das Verhalten der Rechten nach der Wahl sei »ein weiterer Beleg für die politische und menschliche Verkommenheit derjenigen, die Bolivien ein Jahr lang beherrscht haben«, erklärte der frühere Staatschef Morales am Wochenende. Die Einladung Guaidós bezeichnete er als »Aggression gegen das Volk und die Demokratie« und einen »Akt der Unterwerfung unter Trump«. Er hoffe, dass sein Land wieder die Würde und den Respekt zurückgewinnen werde, die unter der Diktatur der Putschisten verlorengegangen seien.
Wie das Onlineportal Plurinacional berichtete, will Morales am kommenden Montag in sein Land zurückkehren, wo er nach Überqueren der Brücke zwischen der argentinischen Stadt La Quiaca und Villazón in Bolivien mit einer Kundgebung begrüßt werden soll. Im Anschluss planen MAS-Anhänger eine dreitägige »Evo-Karawane« durch die Departamentos Potosi, Oruro und Cochabamba. Höhepunkt soll der Abschluss am 11. November in der MAS-Hochburg Chimoré sein. In dieser Stadt in der Kokaanbauregion des Chapare hatte Morales seine politische Karriere als Gewerkschaftsführer begonnen und war auf der Flucht von dort am 12. November 2019 auch ausgeflogen worden. Nach dem Staatsstreich war die Region mehrfach zum Schauplatz von Armee- und Polizeieinsätzen gegen die indigene Bevölkerungsmehrheit geworden.
Der künftige Präsident Arce kündigte jetzt an, die von den Putschisten geschützten »geistigen und politischen Urheber« der berüchtigten Massaker von Sacaba und Senkata ermitteln zu lassen. Dort hatten Polizei und Militär im November 2019 zahlreiche MAS-Sympathisanten getötet. Bei den von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission als »Massaker an der Zivilbevölkerung« eingestuften Einsätzen waren außerdem Hunderte verletzt und festgenommen worden.
Unterdessen versuchen ultrarechte Gruppierungen die Übergabe der Regierungsgeschäfte zu torpedieren. Am Wochenende blockierten Oppositionelle in Santa Cruz und Cochabamba Straßen und Verwaltungsgebäude und forderten, die Wahl vom 18. Oktober für »null und nichtig« erklären zu lassen. Dabei hätten Schlägertrupps auch Medienvertreter angegriffen, beklagte die Journalistengewerkschaft »Federación Sindical de Trabajadores de la Prensa«.
https://www.jungewelt.de/artikel/389838.bolivien-l%C3%A4cherliches-spektakel.html