Kein linker Durchbruch
Brasilien: Konservative setzen sich in zweiter Runde der Kommunalwahlen durch. PSOL kann hinzugewinnen
Von Torge Löding, São Paulo
Am Sonntag (Ortszeit) hat in 57 brasilianischen Städten, in denen sich zwei Wochen zuvor kein Kandidat in der ersten Runde durchsetzen konnte, ein zweiter Durchgang der Kommunalwahlen stattgefunden. In Stichwahlen traten die je zwei Bestplazierten gegeneinander an. Wie bereits zwei Wochen zuvor setzten sich auch dieses Mal konservative Kleinparteien durch und fügten sowohl den Verbündeten des parteilosen ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro als auch dem linken Spektrum Niederlagen zu.
In den drei wichtigsten Regionalhauptstädten, in denen am Sonntag gewählt wurde, konnte sich keiner der linken Kandidaten durchsetzen. Die Kommunistin Manuela D’Ávila (PCdoB) scheiterte in Porto Alegre im Bundesstaat Rio Grande do Sul mit 45,43 Prozent der Stimmen gegen den Konservativen Sebastião Melo der Brasilianischen Demokratischen Bewegung (MDB), der sich ohne mit der Wimper zu zucken aus dem Bolsonaro-Lager unterstützten ließ. Die Kandidatin der Arbeiterpartei (PT), Marília Arraes, unterlag in Recife mit 43,79 Prozent gegen ihren erst 26 Jahre alten Cousin João Campos. In der Hauptstadt des Bundesstaates Pernambuco war Campos für die Mitte-links-Partei PSB angetreten, wobei er von der Demokratischen Arbeiterpartei (PDT) sowie der Kommunistischen Partei (PCdoB) unterstützt wurde. Seinen Wahlkampf gegen das Bündnis aus PT und der Partei für Sozialismus und Freiheit (PSOL) würzte Campos mit Anti-PT-Ressentiments aus der reaktionären Mottenkiste.
In São Paulo unterlag der PSOL-Kandidat Guilherme Boulos mit 40,23 Prozent dem Amtsinhaber Bruno Covas von der konservativen Partei der brasilianischen Sozialdemokratie (PSDB). Die Kandidatur von Boulos, der als Koordinator der Bewegung der obdachlosen Arbeiter (MTST) zahlreiche Hausbesetzungen mit durchgeführt hat und als politischer Außenseiter ins Rennen gegangen war, hatte landesweit für große Aufmerksamkeit gesorgt. Insbesondere weil sich in der größten Stadt Lateinamerikas für den zweiten Wahlgang erstmals alle Parteien der brasilianischen Linken hinter einem Kandidaten versammelt hatten – unter anderem hatte Expräsident Lula Inácio da Silva von der Arbeiterpartei öffentlich für den Linken geworben. Trotz der Niederlage konnte sich die PSOL als ernstzunehmende Kraft behaupten. Gegen die Bekanntheit und den Amtsbonus von Covas, dessen prall gefüllte Wahlkampfkassen und vor allem die Unterstützung durch den mächtigen TV-Sender Globo hat es aber nicht gereicht. So bleibt die frühere PT-Hochburg São Paulo auch die kommenden vier Jahre in konservativer Hand.
Nur in fünf der 27 Regionalhauptstädte Brasiliens gelang progressiven Kräften ein Wahlerfolg: In Belém schlug Edmilson Rodrigues von der PSOL mit 52 Prozent den Bolsonaro-Kandidaten und Militär Everaldo Eguchi, die Demokratische Arbeiterpartei eroberte zwei Hauptstädte im Nordosten, und auch die PSB konnte zwei Bürgermeisterämter gewinnen. Hinzu kommt: Zum ersten Mal seit 1988 regiert die PT nun keine Regionalhauptstadt mehr, das katastrophale Ergebnis von 2016 wurde sogar noch einmal verschlechtert. Als großer Verlierer steht auch der einzige kommunistische Gouverneur, Flávio Dino, von der PCdoB da. Er war in São Luis, der Hauptstadt von Maranhão, bereits im ersten Wahlgang gescheitert.
Im linken Lager konnte einzig die PSOL Gemeinde- und Stadtratsmandate sowie Bürgermeisterämter – von diesen hat sie nun fünf inne – hinzugewinnen. »Die PSOL ist zwar eine sehr kleine Partei«, kommentierte noch in der Wahlnacht Wagner Romão, Professor der Politikwissenschaft an der staatlichen Universität Unicamp und stellvertretender PT-Stadtrat in Campinas, auf dem Onlineportal Carta Campinas. »Allerdings ist es Guilherme Boulos in São Paulo gelungen, während er einerseits die PT im größten Wahlbezirk des Landes zur Seite gedrängt hat, in den Dialog mit Teilen der Gesellschaft zu treten, zu denen seine Partei bisher keinen Zugang hatte«, so Romão weiter. Der Wahlkampf des PSOL-Kandidaten war von einer neuen Schicht sich politisierender Jugendlicher mit großer Begeisterung getragen worden. Insbesondere São Paulo zeigt: Die Linke geht nicht geschlagen aus dieser Kommunalwahl, aber eine politische Erneuerung ist notwendig und eröffnet neue Möglichkeiten.
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