Guaidó zahlt nicht
Rechtsstreit um venezolanisches Gold in London: Oppositioneller kommt Pflichten nicht nach
Von Frederic Schnatterer
Juan Guaidó gerät unter Druck der britischen Justiz. Im anhaltenden Rechtsstreit um den Zugang zu 31 Tonnen venezolanischen Goldes, die bei der Bank of England eingelagert und mehr als eine Billion US-Dollar wert sind, ermahnte Sara Cockerill, Richterin am Handelsgericht in London, das Anwaltsteam des Oppositionspolitikers am Donnerstag, den Zahlungsaufforderungen des Berufungsgerichts nachzukommen. Die 529.000 US-Dollar, die bereits am 20. Oktober fällig gewesen wären, muss Guaidó demnach an die Zentralbank von Venezuela (BCV) zahlen.
Mit dem Geld sollen die Kosten des Prozesses von Anfang Oktober bezahlt werden, als ein Berufungsgericht ein Urteil des Obersten Gerichtshofs aufgehoben hatte. Mit ihrer Entscheidung folgten die Richter damals in weiten Teilen der Argumentation der Klage, die die BCV eingereicht hatte, und sahen es nicht als eindeutig erwiesen an, dass die britische Regierung nur Guaidó als Staatsoberhaupt Venezuelas anerkennt. Zwar unterstütze London formal den Oppositionspolitiker, unterhalte faktisch jedoch Beziehungen zu der von Präsident Nicolás Maduro geführten Regierung in Caracas. Durch das Urteil wurde der Fall des venezolanischen Goldes erneut an das Handelsgericht verwiesen.
Interessant ist, welchen Grund Guaidós Anwälte dafür angaben, dass sie die Prozesskosten, die die BVC getragen hatte, noch nicht an diese zurückgezahlt haben. Mehrere venezolanische Medien zitieren sie mit der Aussage, die von Washington gegen Caracas verhängten Sanktionen machten es ihnen unmöglich, das Geld an die Zentralbank von Venezuela zu überweisen. So habe die »Übergangsregierung« lediglich Zugriff auf Einlagen in New York. Die Strafmaßnahmen verbieten jedoch Überweisungen von US-Geldinstituten an venezolanische Institutionen. In der Vergangenheit war es wiederholt die Riege um Guaidó gewesen, die besonders laut Sanktionen gegen Caracas gefordert hatte.
Am Donnerstag erklärte Richterin Cockerill, bis zur in drei Wochen angesetzten nächsten Sitzung des Handelsgerichts solle sich das Team von Guaidó »eine bessere Ausrede« einfallen lassen, sonst würden »ernsthafte Konsequenzen« in Betracht gezogen.
Derweil ist für Januar 2021 ein weiteres Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof geplant. Dann soll endgültig darüber entschieden werden, wen die britische Regierung nun als Venezuelas Staatsoberhaupt anerkennt: Maduro oder Guaidó. Mindestens bis dahin bleibt der venezolanischen Regierung weiter der Zugriff auf die Goldvorräte in London verwehrt – Geld, das laut Sarosh Zaiwalla, dem führenden Anwalt der BCV, zum Beispiel dringend dafür benötigt wird, die Covid-19-Pandemie zu bekämpfen.
Eigentlich sollte der britischen Regierung die Entscheidung leichtfallen, wird sich doch bis dahin – planmäßig am 6. Januar – die neugewählte venezolanische Nationalversammlung konstituiert haben. Da Guaidó im Gegensatz zu anderen Oppositionellen die für den 6. Dezember angesetzte Wahl boykottiert und statt dessen für eine »Volksbefragung« über die legitime Regierung von Maduro mobilisiert, wird er nicht Mitglied des neuen Parlaments sein. In der Folge verliert er somit auch den letzten Rest Legitimität als »Übergangspräsident«. Dieses »Amt« hatte er zuvor aus seiner Funktion als Vorsitzender des Parlaments abgeleitet.
https://www.jungewelt.de/artikel/391208.venezuelas-gold-guaid%C3%B3-zahlt-nicht.html