»Die Herrschenden setzen auf Konfrontation«
Ehemalige FARC-Kämpfer kritisieren kolumbianische Regierung und organisieren sich selbst. Ein Gespräch mit Martín Batalla
Interview: Elias Korte
Martín Batalla ist Exkombattant der FARC-EP sowie Geschäftsführer der von ehemaligen Guerilleros gegründeten Projekte »Confecciones de La Montaña« und »Miel de La Montaña«
Vier Jahre ist es nun her, dass die kolumbianische Regierung mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens, kurz FARC-EP, in Havanna ein Friedensabkommen unterzeichnet hat. An welchem Punkt steht die damals angekündigte Wiedereingliederung der ehemaligen Guerilleros in das Zivilleben?
Bis heute hat der Staat die Mehrheit der Punkte des Friedensabkommens nicht erfüllt. Zwar hat es Fortschritte gegeben, vor allem aber dank internationaler Unterstützung und wegen der Bereitschaft der ehemaligen Kämpfer. Die Wiedereingliederung der entwaffneten FARC-Guerilleros geschieht weitgehend selbständig, ohne Unterstützung des Staates.
Welche Verpflichtungen aus dem Friedensabkommen hat der Staat nicht erfüllt?
Das Abkommen sieht Sicherheitsmaßnahmen in den Territorien zum Schutz von Exkombattanten vor. Die Punkte Sicherheit und politische Partizipation sind nie umgesetzt worden, die Lage verbessert sich nicht. Abgesehen davon hat die Stigmatisierung nicht aufgehört. Dadurch erklärt sich zum Teil auch die systematische Ermordung von Exkombattanten der FARC-EP.
Zusammen mit ehemaligen Mitkämpfern haben Sie »Produktionsprojekte« gegründet, mit denen Sie Outdoorausrüstung und Imkereierzeugnisse herstellen. Welche Rolle spielen diese Initiativen bei der Wiedereingliederung?
Die Produktionsprojekte sind sehr wichtig für die Wiedereingliederung. Sie garantieren, dass wir unabhängig vom Staat eine eigene Quelle zur Finanzierung haben. Dem Staat ist nicht daran gelegen, das Friedensabkommen zu erfüllen. Die Produktionsprojekte geben den Exkämpfern Möglichkeiten für Arbeit und ein würdiges Leben – unabhängig von der Einhaltung des Abkommens durch den Staat.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Umsetzung dieser Projekte?
Es ist nicht einfach. Die Finanzierung der FARC sollte auf Produktionsprojekten basieren, die durch das Friedensabkommen vom Staat gefördert werden sollten. Das ist bisher nicht geschehen. Der Aufbau dieser Projekte ist auch deshalb schwierig, weil es sich bei den involvierten Menschen um Exkombattanten handelt, die aufgrund fehlender Ausbildung in einigen technischen Aspekten und Fachbereichen Probleme haben. Es bräuchte den Willen des Staates, aber daran mangelt es.
Verfolgen Sie auch politische Ziele mit den Projekten?
Ja, natürlich. Diese Initiativen stehen im Zusammenhang mit einem Friedensabkommen, das als eine politische Lösung des historischen bewaffneten Konflikts in Kolumbien gedacht war. Wir sind keine Unternehmer, wir wollen nicht einfach nur Geld machen. Die Produktionsprojekte sollen einen Beitrag zur Transformation Kolumbiens und vor allem der Territorien leisten, die besonders von dem bewaffneten Konflikt betroffen waren.
Was sind Ihre Forderungen, damit die Exkombattanten eine soziale und wirtschaftlich sichere Lebensgrundlage aufbauen können?
Das Friedensabkommen von Havanna muss mit all seinen Punkten umgesetzt werden. Wir werden nicht müde, das zu fordern. Das Leben derjenigen, die das Papier unterzeichnet haben, muss respektiert werden. Der Staat schützt uns nicht, und teilweise gibt es eine Zusammenarbeit mit paramilitärischen Gruppen bei den Morden an Exkombattanten. Das darf man nicht durchgehen lassen. Wir halten am Weg des Friedens für Kolumbien fest. Es sind die Herrschenden, die auf Konfrontation setzen – das Volk möchte eine friedliche Gesellschaft. Das ist unsere Vision. Und unsere Forderung ist, dass sie uns in Würde leben lassen – und damit meinen wir nicht nur die ehemaligen Kämpfer, sondern auch die große Mehrheit des kolumbianischen Volkes.