Backpfeife für Bolsonaro
Kommunalwahlen in Brasilien: Vom Präsidenten unterstützte Kandidaten schneiden schlecht ab. Linke mit Erfolgen
Von Torge Löding
Für den ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro sind die Kommunalwahlen in Brasilien nicht gut ausgegangen. Die von ihm unterstützten Kandidatinnen und Kandidaten – der Staatschef war landesweit Allianzen mit extrem rechten oder opportunistischen Bewerbern eingegangen – landeten am Sonntag in den Großstädten des Landes weit abgeschlagen hinter linken und anderen rechten Parteien, so die Nachrichtenagentur AFP.
Größter Gewinner der Kommunalwahlen sind dennoch rechte und konservativen Kräfte: Sie werden die meisten der insgesamt 5.570 Bürgermeister in Brasilien stellen. Nach den großen Verlusten vor vier Jahren hat sich aber auch die Linke wieder zurück gemeldet und wird in einigen wichtigen Hauptstädten in die Stichwahl gehen. Dabei ist die Linke 2020 nicht mehr in erster Linie die Arbeiterpartei (PT): Die schnitt nur in wenigen ehemaligen Hochburgen erfolgreich ab.
In sieben von 24 Staaten Brasiliens – in Macapá wurde die Wahl wegen eines Stromausfalls verschoben – konnte sich in der jeweiligen Hauptstadt bereits in der ersten Runde ein Kandidat mit mehr als 50 Prozent der Stimmen durchsetzen. In den übrigen kommt es in zwei Wochen zur Stichwahl. Landesweit für großes Aufsehen sorgte das Ergebnis von Guilherme Boulos: Dem Koordinator der Bewegung der obdachlosen Arbeiter (MTST) gelang es, als Kandidat der linken Partei für Sozialismus und Freiheit (PSOL) in die Stichwahl für das Bürgermeisteramt São Paulos – der größten Stadt Lateinamerikas – einzuziehen.
Boulos erhielt 20,24 Prozent, während der konservative Amtsinhaber Bruno Covas (Partei der brasilianischen Sozialdemokratie, PSDB) 32,85 Prozent bekam, so das Nachrichtenportal Globo. Die Kandidaten Bolsonaros landeten deutlich abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Im Stadtparlament von São Paulo, das 55 Sitze hat, liegt die PT mit acht Abgeordneten jedoch klar vor der PSOL von Boulos, die über sechs Mandate verfügt. Auch die konservative PSDB ist mit acht Parlamentariern vertreten.
Die PT hat Chancen, das Bürgermeisteramt in Recife im Bundesstaat Pernambuco zu gewinnen. Dort geht die Parteilinke Marília Arraes in die Stichwahl mit dem Kandidaten der sozialdemokratischen Sozialistischen Partei Brasiliens (PSB). In Porto Alegre, im Bundesstaat Rio Grande do Sul, unterstützte die PT die Kandidatin der Kommunistischen Partei von Brasilien (PcdoB), Manuela d’Ávila. Jedoch wird sie als Zweitplatzierte (29 Prozent) gegen den Kandidaten der Mitte-Partei Brasilianische Demokratische Bewegung (MDB, 31,1 Prozent) kein leichtes Spiel haben, denn die MDB kann auf die Unterstützung der Drittplazierten PSDB zählen, die 21,07 Prozent erhalten hat.
Trotz wichtiger Erfolge ist das Scheitern antifaschistischer Bündnisse bitter. In vielen Städten traten vier bis fünf linke oder progressive Bewerber gegeneinander an. Besonders deutlich wurde das in Rio de Janeiro: Vor vier Jahren unterlag der PSOL-Politiker Marcelo Freixo dem extrem rechten »Bischof« Marcelo Crivella (Republikaner) aus dem Bolsonaro-Lager. Für 2020 hatte sich Freixo erst mit der PT auf ein Bündnis geeinigt, aber letztlich scheiterte die Zusammenkunft. So traten PT, PSOL, die Demokratische Arbeiterpartei (PDT) und weitere linke Parteien getrennt voneinander an und erreichten insgesamt mehr Stimmen als Crivella, der mit 21,9 Prozent Zweiter wurde. Nun darf er in der Stichwahl sein Amt gegen Eduardo Paes von der liberal-konservativen Brasilianischen Demokratischen Bewegung verteidigen.
Eine zentrale Forderung im Wahlkampf war die Gleichbehandlung schwarzer Brasilianer bei der Abstimmung, dafür wurde eigens das Wahlgesetz geändert. Ende August entschied der Oberste Gerichtshof, dass schwarze Kandidierende einen gerechten Anteil an TV-Sendezeit und öffentlichen Mitteln erhalten müssen. Wieviele Ratsmandate Afrobrasilianer erringen konnten, war bis jW-Redaktionsschluss noch unklar, denn bei der Bekanntgabe der Wahlergebnisse ist es zu Verzögerungen gekommen. Nach einem Cyberangriff auf den Obersten Wahlgerichtshof kollabierte am Sonntag abend der Server. Eine Manipulation habe es nicht gegeben, so der Behördenchef.
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