Unter ständiger Belagerung
Venezuela: Staatschef warnt vor Infiltration durch Söldnertruppen aus Kolumbien vor Wahlen
Von Volker Hermsdorf
Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat davor gewarnt, dass im Nachbarland Kolumbien derzeit mehr als 1.000 Söldner dafür ausgebildet würden, die für den 6. Dezember in der Bolivarischen Republik geplanten Parlamentswahlen zu sabotieren. Die Söldnertruppe »wird mit Hilfe der dortigen Geheimdienste und unter dem Schutz von Kolumbiens Präsident Iván Duque darauf vorbereitet, die politische Lage in unserem Land zu destabilisieren«, erklärte Maduro am Sonnabend im staatlichen Fernsehsender Venezolana de Televisión (VTV). »Wir müssen all unsere geheimdienstlichen, sozialen, politischen, militärischen und polizeilichen Mechanismen aktivieren, denn wir sind ein Land unter Belagerung und ständiger Bedrohung«, sagte Maduro.
Außenminister Jorge Arreaza verwies auf Äußerungen seiner kolumbianischen Amtskollegin Claudia Blum vor einem für diesen Dienstag in Québec (Kanada) einberufenen Ministertreffen der rechtsgerichteten »Lima-Gruppe«. Blum hatte angekündigt, dass dort versucht werden solle, »die Ablehnung der venezolanischen Parlamentswahlen in der Region zu verstärken«. Das »Regime«, zitierte das von Exilvenezolanern in Miami betriebene Onlineportal EVTV die Politikerin, habe vor, sich mit den Wahlen »die Nationalversammlung anzueignen und die Diktatur aufrechtzuerhalten«.
Venezuelas Außenminister Arreaza konterte per Twitter: »Das venezolanische Volk wird seine neue Nationalversammlung für die Periode 2021 bis 2026 wählen, während Kolumbien von Gewalt, Hunger und Drogenhandel verschlungen wird«. Mehr als 20 Millionen Bürger seien aufgerufen, die 277 neuen Parlamentsmitglieder zu wählen.
Unterdessen erinnerte der Politologe und frühere Berater des bolivianischen Außenministeriums, Katu Arkonada, im lateinamerikanischen Nachrichtenportal Telesur daran, dass US-Außenminister Michael Pompeo am 19. September bei einem Besuch in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá auch die Stationierung weiterer 300 US-Soldaten auf einer Militärbasis in Cúcuta an der Grenze zu Venezuela zugesagt hatte. Der frühere CIA-Direktor Pompeo habe Staatschef Duque auch darum gebeten, in den nächsten Wochen in den Grenzgebieten »Antidrogenoperationen« durchzuführen, die als Vorwand für die Ankunft von Militärpersonal dienen, das bei destabilisierenden Aktionen angesichts der Wahlen vom 6. Dezember nützlich sein könnte.
Am Sonntag hatte Maduro sich optimistisch darüber geäußert, dass die von den USA verhängten Wirtschaftssanktionen demnächst durch ein am Donnerstag von einem Teil der Verfassunggebenden Versammlung (ANC) beschlossenes »Antiblockadegesetz« abgeschwächt werden würden. »Wir müssen Formeln finden, um frei und legal mit der Welt Handel zu treiben, ohne Angst vor den Repressalien der USA«, erklärte der Präsident. Das zeitlich auf die Dauer der US-Blockade befristete Gesetz soll laut Maduro »den Schutz der internen und externen Aktiva des Landes, die Entwicklung von Allianzen und Verbindungen mit produktiven Sektoren und Unternehmen innerhalb und außerhalb des nationalen Territoriums in strategischen Bereichen sowie die Anziehung von produktiven Investitionen in großem Ausmaß sicherstellen«.
Während Regierungsvertreter die Maßnahmen begrüßten, kritisierten linke Organisationen, dass das Gesetz eine größere Beteiligung privaten Kapitals und Privatisierungen in strategischen Wirtschaftssektoren ermögliche. Das Politbüro der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV) bezeichnete es deshalb als »Rückschlag, der die wirtschaftliche Verwundbarkeit gegenüber externen Aggressoren vertiefen wird«. Die Regelungen beförderten »die Kapitulation unserer Ölindustrie vor dem transnationalen Kapital, die Rückgabe von Land an die Landbesitzer, die Rückgabe verstaatlichter Unternehmen an den Privatsektor, die Öffnung der strategischen Wirtschaftssektoren – die in der Verfassung dem Staat vorbehalten sind – für das Monopolkapital, den Verkauf von Vermögenswerten und Unternehmen der Republik an den Meistbietenden sowie die Abtretung der nationalen Souveränität, indem transnationalen Unternehmen ermöglicht wird, unser Land vor internationalen Gerichten zu verklagen«, kritisierte PCV-Generalsekretär Oscar Figuera.
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