Etappensieg für Caracas
Berufungsgericht: London darf beschlagnahmtes Gold Venezuelas nicht selbsternanntem »Übergangspräsidenten« Guaidó zur Verfügung stellen
Von Volker Hermsdorf
Die Zentralbank von Venezuela (BCV) hat die Entscheidung eines britischen Gerichts im Streit um die bei der Bank of England eingelagerten venezolanischen Goldreserven im Wert von einer Milliarde US-Dollar begrüßt. Am Montag hatten drei Berufungsrichter ein Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 2. Juli aufgehoben, wonach 31 Tonnen des Edelmetalls dem selbsternannten »Übergangspräsidenten« Juan Guaidó zur Verfügung gestellt werden sollten.
Wie die britische Tageszeitung The Guardian berichtete, hatte das Außenministerium in London vor dem Urteil dem Wunsch der USA zugestimmt, die Freigabe des Goldes zu blockieren. Caracas hatte den Erlös aus dem Verkauf der Reserven an das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) überweisen wollen, das damit den Erwerb von Medikamenten und Hilfsgütern zur Bekämpfung der Coronapandemie organisieren und überwachen sollte.
»Virtueller Präsident«
Das Berufungsgericht ist in weiten Teilen den Argumenten einer von der BCV gegen das Urteil des Obersten Gerichtshofs eingereichten Klage gefolgt. Zwar unterstütze London formal Guaidó, unterhalte faktisch jedoch Beziehungen zur der von Präsident Nicolás Maduro geführten tatsächlichen Regierung, hatten die BCV-Anwälte um Sarosh Zaiwalla vorgetragen. Unter anderem leite ein von Maduro ernannter Diplomat Venezuelas Vertretung in London, während Großbritannien seinerseits durch einen Botschafter in Caracas vertreten wird. Die Berufungsinstanz verwies den Fall erneut an das Handelsgericht, das nun die Frage der rechtlichen Tragweite einer politischen Anerkennung Guaidós als Interimspräsident bewerten soll.
aiwalla sagte, das Urteil sei ein wichtiger Sieg des Völkerrechts, da Guaidó ein »virtueller Präsident« ohne wirkliche Macht innerhalb des Landes sei. Zaiwalla hatte davor gewarnt, dass eine Niederlage seines Mandanten »eine weitere Bedrohung für die internationale Wahrnehmung englischer Institutionen als frei von politischer Einmischung sowie für den Ruf der Bank of England im Ausland als sicherer Aufbewahrungsort für Staatsvermögen darstellen würde«. Nach dem Spruch des Berufungsgerichts erklärte der Anwalt, dass der Versuch, Caracas den Zugriff auf seine Reserven in London zu verweigern, lediglich dazu geführt habe, die Umsetzung von humanitären Maßnahmen zur Unterstützung von Covid-19-Erkrankten durch das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen zu verzögern.
Weiter Druck für Freigabe
Die kommunistische Tageszeitung Morning Star zitierte Francisco Dominguez, den nationalen Sekretär der Organisation Venezuela Solidarity Campaign mit der Aussage, dass mit dem Richterspruch »ein wichtiger Präzedenzfall« für die Freigabe von Reserven geschaffen werde, die in anderen europäischen Ländern gehalten werden. Er betonte aber zugleich, dass der Fall »keineswegs ein hundertprozentiger Sieg« sei und forderte, weiterhin Druck für die Freigabe aller eingefrorenen Gelder und die Aufhebung der gegen Venezuela verhängten US-Blockade auszuüben.
In einer Stellungnahme bezeichnete Kommunikationsminister Alfred Ñáñez die Entscheidung der britischen Justiz zugunsten von Venezuelas Regierung als »Niederlage für die illegale Bande des Oppositionsabgeordneten Juan Guaidó«. Wie die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina am Dienstag meldete, erklärte Ñañez per Twitter, dass damit auch »die Farce der Selbstproklamation« entlarvt worden sei.