MAS schlägt Putschisten
Bolivien: Linkskandidat Arce gewinnt Präsidentschaftswahl voraussichtlich bereits in erster Runde
Von Frederic Schnatterer
In Bolivien dürfte die Herrschaft der Putschisten nach fast einem Jahr beendet sein. Laut dem Ergebnis einer Nachwahlbefragung des Meinungsforschungsinstituts Ciesmori vom späten Sonntag abend (Ortszeit) konnte der Kandidat der Linkspartei »Bewegung zum Sozialismus« (MAS), Luis Arce, die Präsidentschaftswahl am Sonntag mit 52,4 Prozent der abgegebenen Stimmen gewinnen. Wie der Fernsehsender Unitel berichtete, liegt Arce damit weit vor dem Rechtskonservativen Carlos Mesa, dem nur 31,5 Prozent der Stimmen vorausgesagt werden.
Auch wenn das offizielle Endergebnis erst im Laufe der kommenden Tage erwartet wird: Der vorausgesagte Vorsprung von mehr als 20 Prozentpunkten macht einen Sieg in der ersten Wahlrunde höchstwahrscheinlich. Für einen solchen würden sogar nur zehn Punkte Abstand zum Zweitplatzierten ausreichen. Dementsprechend siegesgewiss zeigten sich der MAS-Kandidat Arce sowie weitere wichtige Vertreter der Linkspartei am Abend des Wahltags. »Wir haben die Demokratie und die Hoffnung zurückerobert«, erklärte der voraussichtlich nächste Präsident des Andenstaates in La Paz. Die Nachrichtenagentur ABI zitierte ihn mit den Worten: »Wir werden für alle Bolivianer arbeiten und eine Regierung der nationalen Einheit bilden.«
Auch der frühere Präsident Evo Morales, nach dessen erneutem Wahlsieg im Oktober 2019 die rechte Oligarchie des Landes geputscht und eine »Übergangsregierung« gebildet hatte, gratulierte Arce sowie der bolivianischen Bevölkerung über Twitter: »Wir sind millionenfach zurückgekehrt, jetzt geben wir dem Volk die Würde und die Freiheit zurück«, erklärte er in Anspielung auf den bekannten Ausspruch des indigenen Unabhängigkeitskämpfers Túpac Amaru (1545–1572). Auf einer Pressekonferenz in Buenos Aires, wo der ehemalige Staatschef mittlerweile im Exil lebt, erinnerte Morales zudem daran, dass am Sonntag nicht nur der neue Präsident sowie dessen Vize, sondern auch die Parlamentskammern neu gewählt worden waren. Sowohl im Senat als auch in der Plurinationalen Versammlung kommt die MAS den vorläufigen Zahlen zufolge auf eine Zweidrittelmehrheit.
In der Nacht zu Montag erkannte sogar die selbsternannte »Übergangspräsidentin« Jeanine Áñez, deren Regime nach dem Putsch auf brutale Weise alles daran gesetzt hatte, eine Rückkehr der Linkspartei an die Spitze des Staates zu verhindern, den Wahlsieg der MAS an. Auch der Generalsekretär der von Washington dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, der den Staatsstreich offen angefeuert hatte, gratulierte Arce am Montag per Twitter. Die Parteien der unterlegenen Kandidaten, die »Comunidad Ciudadana« von Mesa sowie »Creemos« des drittplazierten Klerikalfaschisten Luis Camacho (14,1 Prozent), betonten hingegen, auf das offizielle Endergebnis warten zu wollen.
Der Wahltag selbst, der von einer hohen Beteiligung geprägt war, war trotz mehrfacher Drohungen im vorhinein weitgehend friedlich verlaufen. Teilweise kam es dennoch zu Provokationen von Rechten sowie Einsatzkräften. Bereits seit dem frühen Sonntag morgen hatte die Putschistenregierung Polizei- und Militäreinheiten auf die Straßen entsandt, vorgeblich mit dem Ziel, einen friedlichen Ablauf der Stimmabgabe zu gewährleisten. Das Verhalten der ultrarechten Kreise um die De-facto-Machthaber in den kommenden Tagen dürfte nun darüber entscheiden, ob die Übergabe der Regierungsgeschäfte friedlich verlaufen wird.
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