Internationaler Protest
Kritik an politisch motivierten Urteilen gegen Expräsidenten Morales und Correa. Berlin und Brüssel schweigen
Von Volker Hermsdorf
Der Ausschluss der ehemaligen Präsidenten Evo Morales (Bolivien) und Rafael Correa (Ecuador) von den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in ihren Ländern hat international zu Protesten geführt. Am Montag hatten Gerichte in La Paz und Quito fast zeitgleich zugunsten der jeweiligen rechten Regimes entschieden, die eine Kandidatur der aussichtsreichen linken Politiker verhindern wollten.
Der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel, der ehemalige französische Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon und Patricia Villegas, Direktorin des multinationalen Nachrichtensenders Telesur, gehörten zu den ersten Persönlichkeiten, die die Urteile als »Angriffe auf die Demokratie« kritisierten.
Auch Vertreter der Regierungen von Kuba und Venezuela äußerten sich zu den Richtersprüchen. Havannas Außenminister Bruno Rodríguez bezeichnete die Gerichtsverfahren gegen Morales und Correa auf Twitter als »politisch motivierte Aktionen«, die darauf abzielten, »die Stimme des Volkes und seiner Vertreter zum Schweigen zu bringen«. Die Machthaber in Bolivien und Ecuador versuchten, »die Wahl von Politikern zu verhindern, unter denen Prozesse eingeleitet worden waren, die die soziale Situation der Bevölkerungsmehrheit dieser Länder deutlich verbessert haben«.
Sein venezolanischer Amtskollege Jorge Arreaza verurteilte die Verfahren als »Lawfare« (politisch motivierte Rechtsbeugung) und »illegal«. Ebenfalls via Twitter ergänzte er, die Verbote, sich an den Wahlen zu beteiligen, zeigten die Angst der lateinamerikanischen Oligarchien vor progressiven Politikern. Auch Venezuelas Präsident Nicolás Maduro erklärte sich solidarisch mit seinem Exkollegen: »Die Faschisten wissen, dass Sie die Unterstützung der Mehrheit des bolivianischen Volkes haben und deshalb verhindern sie Ihre Kandidatur«, schrieb Maduro per Twitter an Morales. Während die Wahlbehinderung und Verfolgung der Opposition in Bolivien und Ecuador auch in Argentinien, Nicaragua und Mexiko kritisiert wurden, schweigen die Bundesregierung und die Europäische Union, die sich gegenüber Venezuela oder Belarus gern als Verteidiger fairer Wahlprozesse darzustellen versuchen, bisher zu den Vorgängen.
Unterdessen erklärte das ehemalige Mitglied des obersten argentinischen Gerichts und derzeitige Richter am Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte, Eugenio Raúl Zaffaroni, dass ihn das Urteil gegen Morales nicht überrasche, da die Justiz nicht frei entscheiden könne. »In Bolivien gibt es bewaffnete Gruppen, die Richter und ihre Familien bedrohen«, zitierte die argentinische Tageszeitung Página 12 den Verfassungsrechtler. Zaffaroni wies auf die geradezu »lächerliche Situation« in dem südamerikanischen Land hin, »wo nicht nur Morales außer Gefecht gesetzt wird, sondern auch nahezu alle Kandidaten der früheren Regierungspartei ›Bewegung zum Sozialismus‹ (MAS) unter Anklage stehen«. Morales habe während seiner Amtszeiten allerdings etwas erreicht, was auch die Rechten nicht mehr rückgängig machen könnten, nämlich der indigenen Bevölkerungsmehrheit eine Stimme in der Politik zu geben, erklärte Zaffaroni.
MAS-Spitzenkandidat Luis Arce unterstrich Anfang der Woche, dass die Partei das Urteil zwar formal akzeptiere, Morales aber trotzdem den Wahlkampf aus dem argentinischen Exil weiterhin leiten werde. Nach einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage des Instituts »Ciesmori« kann Arce bei den Wahlen am 18. Oktober mit 37,3 Prozent der Stimmen rechnen. 24,2 Prozent der Wähler favorisieren Carlos Mesa von der rechten Wahlallianz »Comunidad Ciudadana«, während Putschpräsidentin Jeanine Áñez mit ihrem klerikalfaschistischen Bündnis »Juntos« mit 14,4 Prozent auf dem dritten Platz liegt.
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