Guaidó aus dem Spiel
Venezuela: Rechte um selbsternannten »Übergangspräsidenten« will Parlamentswahl boykottieren. Widerspruch auch aus Opposition
Von Frederic Schnatterer
Der venezolanische Oppositionspolitiker Juan Guaidó, der sich selbst als »Übergangspräsident« des Landes bezeichnet, hat am Montag (Ortszeit) einen »Einheitspakt für die Freiheit und freie Wahlen« vorgestellt. Auf einer Pressekonferenz, die in den sogenannten sozialen Medien übertragen wurde, erklärte er, die Unterzeichner des Paktes verpflichteten sich dazu, Venezuela »zu befreien« und »dem Volk seine Souveränität wiederzugeben«.
Laut dem Dokument stehen insgesamt 37 Oppositionsparteien hinter der Entscheidung, die für den 6. Dezember geplante Parlamentswahl zu boykottieren. Viel Neues findet sich indes nicht in der Erklärung, über deren Inhalt die Unterzeichner fast 20 Tage verhandelt hatten. So wird die kommende Abstimmung als »von der Diktatur organisierter Betrug« bezeichnet und »freie, gerechte und verifizierbare Präsidentschafts- und Parlamentswahlen« gefordert. Nahezu identische Worte waren schon in einer Mitteilung von damals noch 27 Parteien zu lesen gewesen, in der diese ihren Entschluss begründeten, die Abstimmung zu boykottieren. Statt dessen setzen die Guaidó-Anhänger nun auf eine »Volksbefragung«, zu der »alle Venezolaner innerhalb und außerhalb des Landes« aufgerufen werden sollen.
Auch wenn die Worte hochtrabend daherkommen: Mit dem Nichtantritt katapultiert sich die Rechte um Guaidó voraussichtlich noch weiter ins Abseits der venezolanischen Politik. Seit der Wahl 2015 ist die Nationalversammlung die einzige Institution im Land, in der die Opposition über eine Mehrheit verfügt. Es ist wahrscheinlich, dass sich das nach dem 6. Dezember ändern wird und diejenigen Kräfte, die zumindest solidarisch an der Seite der Regierung von Präsident Nicolás Maduro stehen, wieder die Kontrolle über das Parlament gewinnen werden.
Das ist Teilen der venezolanischen Opposition durchaus bewusst. So ruft der zweimalige Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles mittlerweile zur Stimmabgabe am 6. Dezember auf. In einer am Sonntag verbreiteten Erklärung des Politikers heißt es, es gehe darum, zu verhindern, dass die Regierung über eine »ihr genehme« Opposition im Parlament verfüge. »Wir haben uns dazu entschlossen, einen Schritt nach vorne zu machen, da es so aussieht, als wäre niemand sonst dazu bereit, das Risiko einzugehen.«
Trotz geringer Erfolgsaussichten ihrer Strategie setzen die Kreise um Guaidó auf eine Eskalation der Lage. Am Montag rief der »Übergangspräsident« die venezolanische Armeeführung zum Verfassungsbruch auf. So sollten die Militärs sich nicht länger »hinter den Röcken des Diktators verstecken« und aufhören, »die Realität in Venezuela zu ignorieren«. Nun gehe es darum, im Rahmen des »Einheitspakts« für einen »politischen Übergang« einzutreten. Zudem wird in dem Dokument gefordert, die internationalen Sanktionen gegen Venezuela müssten »vertieft und eskaliert« werden.
Dessen ungeachtet setzt die legitime Regierung auf einen geregelten Ablauf der Parlamentswahl. Am Sonntag erklärte Staatschef Maduro, die Abstimmung finde statt, »egal ob es regnet, donnert oder blitzt«. Am vergangenen Mittwoch hatte Außenminister Jorge Arreaza über den Kurzbotschaftendienst Twitter mitgeteilt, dass Vertreter der Vereinten Nationen sowie der Europäischen Union zur Wahlbeobachtung eingeladen worden seien. In entsprechenden Briefen seien zudem die »umfassenden« Vorkehrungen für den Ablauf der Abstimmung erläutert worden.
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