Beatmungsgeräte made in Kuba
Karibikinsel musste wegen der US-Sanktionen auf eigene Entwicklung setzen. Dies hat viele Vorteile
Von Andreas Knobloch, Havanna
Es ist etwas abgedroschen, aber deshalb nicht weniger wahr: Not macht erfinderisch. Wie so viele Länder stand auch Kuba zu Beginn der Corona-Pandemie vor der Herausforderung, für den Notfall ausreichend Beatmungsgeräte zu haben. Die US-Sanktionen machten die Beschaffung im Ausland unmöglich. Zwar verfügte die Karibikinsel pro Kopf über mehr solcher Geräte als beispielsweise Italien, »aber im März war unklar, wie sich die Epidemie entwickeln würde«, sagt Ernesto Velarde Reyes vom Zentrum für Neurowissenschaften in Havanna. »Als Vorsichtsmaßnahme wurden wir beauftragt, eigene Notbeatmungsgeräte herzustellen.« Das Problem: Velarde und sein achtköpfiges junges Team hatten »null Erfahrung« damit. In ihrem Forschungsalltag entwickeln sie Apparate und Software in Verbindung mit Neurowissenschaften.
»Wir haben erst einmal alle möglichen Informationen zusammengetragen«, erzählt der 40-jährige Projektleiter. »Es ging nicht nur darum, ein Beatmungsgerät herzustellen, sondern eines aus auf Kuba verfügbaren Mitteln und das schnell.« Den mechanischen Teil des Gerätes entwickelten sie auf Basis von Open-Source-Codes, die Forscher des Massachusetts Institute of Technology in den USA im Internet zur Verfügung stellten. »Wir haben unsere Elektronik, unsere Software und unser Design dazu gepackt und daraus Pcuvente (Proyecto Cubano de Ventilación de Emergencia) entwickelt«, sagt Velarde. Eine ganze Reihe weiterer Institutionen sei daran beteiligt gewesen: das Nationale Zentrum für Industriedesign, die Vereinigung der Militärindustrie, das Nationale Zentrum für Elektromedizin und selbst private Kleinunternehmer.
Velarde kramt den ersten Prototypen hervor. Der Motor stamme von einem Arbeiter auf eigene Rechnung, der sonst computergesteuerte Metallschneider herstelle. »Ich habe ihn über soziale Netzwerke kontaktiert und gemeint: ›Freund, ich benötige einen leistungsstarken Motor.‹« Motor und Regler für die Sauerstoffbeutel kosten zusammen rund 200 US-Dollar – in Kuba viel Geld. Ein Unternehmer, den Velarde persönlich nicht kannte, habe ihm einen Motor zur Verfügung gestellt. »Viele Dinge wurden auf diese Weise geregelt.«
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