Kampf ums Überleben
Invasionsversuche in Venezuela
Von Volker Hermsdorf
Kurz nachdem die Landungsversuche schwerbewaffneter Söldner in Venezuela gescheitert waren, erteilten westliche Medien den Verschwörern selbst das Wort. »Oppositionelle Politiker und Washington beschuldigten Maduros Verbündete, den Angriff selbst fingiert zu haben«, meldete tagesschau.de am Dienstag. Die von Präsident Nicolás Maduro und Innenminister Néstor Reverol präsentierten Belege für eine Beteiligung der US-Antidrogenbehörde DEA und des Oppositionspolitikers Juan Guaidó an der von Kolumbien aus gestarteten Operation werden ebenso in Zweifel gezogen wie entsprechende Aussagen der festgenommenen Söldner. Dafür gibt es gute Gründe.
Für Donald Trump, der im Wahljahr wegen seines Umgangs mit der Coronakrise mit dem Rücken zur Wand steht, kommt das Fiasko des missglückten Söldnerangriffs ungelegen. Vieles spricht zwar dafür, dass die Operation nicht wirklich eine Invasion und einen sofortigen Regime-Change bezweckte. Sicher ist aber, dass die Aktion als Beitrag zur Destabilisierung des Landes gut in die Pläne Washingtons passt.
Mit permanenten Nadelstichen versuchen die USA und die gewalttätigen Teile der venezolanischen Opposition seit Monaten, die Bevölkerung zu zermürben und das Land sturmreif zu schießen. Eine erfolgreiche Landung, etwa durch begleitende Gewaltaktionen lokaler oppositioneller Gruppen, hätte Trump nutzen können, um von seiner Verantwortung für die Ausbreitung der Pandemie abzulenken. Zudem hätte er bei militanten Exilanten und den Ultrarechten im eigenen Lager punkten können. Da die dilettantische Aktion vereitelt wurde, scheint es jetzt opportun, die Opfer des Angriffs als Täter darzustellen.
Die Umstände, unter denen die Terroristen ihre Aktion planten, sprechen für sich. So hatte der Oberkommandierende des Südkommandos der US-Streitkräfte (Southcom), Admiral Craig Faller, bereits Mitte März verstärkte Militäreinsätze »zur Befriedung der Situation in Venezuela« angekündigt. Ende März setzte US-Außenminister Michael Pompeo ein Kopfgeld von 15 Millionen Dollar auf den gewählten Präsidenten Maduro aus, und Anfang April erklärte Trumps Nationaler Sicherheitsberater Robert O’Brien, die USA würden in den nächsten Wochen »maximalen Druck auf das Maduro-Regime« ausüben. Das schließt, wie sich zeigt, Bündnisse mit Söldnern und kriminellen Banden ein. Die Verbindungen Guaidós zu kolumbianischen Narkoparamilitärs sind schließlich bekannt und belegt.
Sowohl Trump als auch sein Zögling Guaidó kämpfen mit allen Mitteln um ihr politisches Überleben. Politiker und Medien des Westens unterstützen sie dabei nicht aus Sympathie, sondern weil es um die gemeinsame Verteidigung eines Systems geht, das mit zunehmender Dauer der Coronakrise von immer mehr Menschen in Frage gestellt wird. Deshalb wird die Warnung von UN-Generalsekretär António Guterres vor einer Eskalation auf taube Ohren stoßen.
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