Caracas bleibt wachsam
Neue Erkenntnisse nach versuchter Söldnerinvasion. Abwehroperation wird fortgesetzt
Von Modaira Rubio, Caracas
Gut eine Woche nach dem Scheitern der Söldnerinvasion vom 3. Mai an der Nordküste Venezuelas haben die Sicherheitskräfte des südamerikanischen Landes mehr als 30 mutmaßliche Tatbeteiligte festgenommen, unter ihnen zwei US-Militärveteranen, Luke Denman und Airam Berry. Beide gehörten zu denn Söldnern, die vom US-Sicherheitsunternehmen Silvercorp im Auftrag der Berater von Juan Guaidó angeheuert worden waren und den Auftrag hatten, die Regierung von Nicolás Maduro zu stürzen. Das haben Beteiligte inzwischen offen eingeräumt.
Die Abwehroperation der venezolanischen Streitkräfte unter dem Namen »Bolivarischer Schild« wurde auch am Wochenende fortgesetzt. Offenkundig geht man in Caracas davon aus, dass es noch weitere Gruppen von Terroristen gibt, die in das Land eingesickert sein könnten. So wurden am Sonnabend in den südlich gelegenen Bundesstaaten Bolívar und Apure drei mit Maschinengewehren ausgerüstete Schnellboote entdeckt, die Abzeichen der kolumbianischen Kriegsmarine trugen. Die Besatzung hatte sich offenbar aus dem Staub gemacht, teilte das Verteidigungsministerium in Caracas mit.
In der Hauptstadt haben die Sicherheitskräfte am Freitag eine Großoperation gegen kriminelle Banden im Stadtteil Petare gestartet, das in westlichen Medien gern als »größter Slum Lateinamerikas« bezeichnet wird. Tatsächlich besteht dieses »Barrio«, das formell Teil des Bundesstaates Miranda ist, weitgehend aus selbstgebauten Hütten und gilt seit Jahrzehnten als praktisch unkontrollierbar. Hier war es unmittelbar vor der gescheiterten Landungsoperation fünf Tage lang zu Feuergefechten gekommen. Waren zunächst Bandenkriege vermutet worden, wird inzwischen davon ausgegangen, dass es sich um eine Ablenkungsoperation gehandelt haben dürfte, die zwischen den Söldnern und kriminellen Gangs des Viertels ausgehandelt worden war. Das bestätigte einer der ersten von den Sicherheitskräften festgenommenen Clanchefs, José Alberto Socorro Hernández alias Pepero. Der in Kolumbien als Drogenboss Gesuchte sagte aus, dass er von der US-Antidrogenbehörde DEA angeheuert worden sei, scheinbare Gefechte in Petare zu inszenieren, um die Bevölkerung in Panik zu versetzen.
An der Operation gegen die Kriminellen in Petare waren unter anderem die Sondereinsatzkommandos FAES, die Kriminalpolizei CICPC, die Nationalgarde und andere Kräfte beteiligt. Das gesamte Gebiet wurde vollständig abgeriegelt, wie die Autorin dieses Artikels selbst beobachten konnte. Nach offiziellen Angaben wurden zahlreiche Waffen, Drogen und gesuchte Fahrzeuge sichergestellt. Mehrere Kriminelle, die sich mit Waffen den Beamten entgegenstellten, wurden erschossen. Bis Sonnabend war offiziell die Rede von zwölf Getöteten, unter ihnen keine Beamten der Sicherheitskräfte.
Parallel dazu legte Venezuelas Informationsminister Jorge Rodríguez am vergangenen Freitag weitere Belege für die Verwicklung der unter anderem von den USA und der deutschen Bundesregierung anerkannten »Übergangsregierung« von Juan Guaidó in die gescheiterte Söldnerinvasion vor. Zuvor hatte die Washington Post die Anhänge eines Vertrags veröffentlicht, der von Guaidó, seinem Berater Juan José Rendón und dem Chef der Silvercorp USA, Jordan Goudreau, unterzeichnet worden war. In diesem Dokument wird festgelegt, dass das Ziel der Operation die Gefangennahme oder Ermordung von Maduro, seiner Minister, der Angehörigen des Oberkommandos der Streitkräfte sowie des Präsidenten der Verfassunggebenden Versammlung, Diosdado Cabello, sei. Tödliche Gewalt sollte demnach auch gegen die Bevölkerung eingesetzt werden, wenn diese Widerstand gegen den Staatsstreich leiste. Die gültige Verfassung sollte außer Kraft gesetzt, und die Staatsorgane sollten aufgelöst werden. An deren Stelle sollte eine Befehlskette etabliert werden, für die auch ausländische Funktionäre vorgesehen waren. Der Etat für die Aktion wurde auf 212 Millionen US-Dollar beziffert.
Die Regierungen Kolumbiens und der USA haben jede Verantwortung für den Angriff auf die Souveränität Venezuelas zurückgewiesen. So erklärte Kolumbiens Präsident Iván Duque, dass es keine Verbindung seiner Regierung zur sogenannten Operation Gideon gebe. Zugleich bekräftigte er jedoch, dass die »internationale Gemeinschaft« dringend »die Demokratie in Venezuela reaktivieren« müsse. Auch US-Präsident Donald Trump zeigte sich unwissend und verkündete: Wenn er einen Einmarsch in dem Land angeordnet hätte, dann wäre keine kleine Gruppe, sondern eine Armee geschickt worden, »und das wäre eine Invasion gewesen«.
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