»Ziel ist es, Länder zu destabilisieren«
Kurs auf Konfrontation: Westliche Staaten halten trotz Coronapandemie an Sanktionen gegen Kuba und andere Staaten fest. Ein Gespräch mit Renate Koppe
Interview: Gitta Düperthal
Renate Koppe ist Mitglied des Parteivorstandes und der Internationalen Kommission der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)
Petition: kurzlink.de/sanktionenaufheben
Mit einer Petition fordert die DKP den Bundestag und die Bundesregierung auf, alle Sanktionen aufheben, die den Kampf gegen die Coronapandemie behindern. Betroffen von den Maßnahmen sind Länder wie Venezuela, Kuba oder Russland. Wie folgenreich sind die Sanktionen?
Sie wirken in Kuba zum Beispiel in zwei Richtungen. Sie sind unmittelbar gegen den sozialistischen kubanischen Staat gerichtet und schwächen dort das Gesundheitswesen, speziell den Kampf gegen Corona. Zugleich aber behindern sie den Einsatz kubanischer Ärzte in lateinamerikanischen Ländern wie Kolumbien, die ebenfalls Sanktionen gegen den karibischen Inselstaat eingeleitet haben. Was Venezuela betrifft: Dort werden Lieferungen von dringend notwendigen Medikamenten verhindert. All das hat nicht erst mit Corona begonnen, zeigt sich aber während der Pandemie besonders drastisch. Sanktionen gegen den Iran lösen übrigens dort ähnliche Probleme aus.
Obgleich es dringend geboten ist, wissenschaftlich und humanitär zusammenzuarbeiten, um möglichst schnell zu Ergebnissen zu kommen, wird dies wegen politischer und wirtschaftlicher Konkurrenz vermieden. Dies wird auch am Beispiel Russland deutlich, wo es aus Sowjetzeiten Erfahrungen im Kampf gegen Epidemien gibt. Insbesondere China ist weit fortgeschritten im Kampf gegen das Coronavirus. Trotzdem werden von dort angebotene Hilfe oder das Bereitstellen von nützlichen Kenntnissen nur zögerlich oder gar nicht angenommen. Die gemeinsame Forschung nach einem Impfstoff ist so nicht möglich.
Wer hat ein Interesse, das zu verhindern?
Die Sanktionen sind ein Mittel der NATO-Staaten, die sich dem Kampf um die Vorherrschaft imperialistischer Länder angeschlossen haben. Tatsächlich war ja die US-Blockade gegen Kuba ursprünglich mit dem Ziel eingerichtet worden, das wirtschaftliche Leben zu schwächen, damit die Löhne sinken, um Hunger, Verzweiflung und letztlich den Sturz der Regierung zu erreichen. Auch jetzt in der Coronakrise ist das Ziel, Länder in ganz ähnlicher Weise zu destabilisieren.
Welche Rolle spielt die Bundesregierung dabei?
Die Bundesrepublik ist eines der EU-Länder, das die Sanktionspolitik am stärksten betreibt. Anderswo lässt das nach, weil sichtbar wird, dass die von der Pandemie am stärksten betroffenen Länder innerhalb der EU kaum Unterstützung finden. Die BRD behindert vor allem Russland und China. Außenminister Heiko Maas, SPD, hat sich explizit gegen eine Aufhebung der Sanktionen gegenüber Venezuela positioniert.
Wie wollen Sie die Befürworter von Sanktionen zum Umdenken bewegen?
Argumente sind wohl kaum hilfreich. Die Verantwortlichen wissen, was sie tun. Nur Druck aus den Bevölkerungen heraus kann etwas bewirken. Die Gewerkschaften müssen dazu eine deutliche Position einnehmen. Denn gelingt es nicht, die EU und die USA davon zu überzeugen, ihre Sanktionen aufzuheben, kann das negative Folgen für den Gesundheitszustand aller Menschen weltweit haben. Genau deshalb haben wir unsere Petition auf den Weg gebracht.
Wie steht die Partei Die Linke zu Ihrer Initiative?
Der Parteivorstand und die Landesvorstände unterstützen unsere Petition nicht, aber viele Mitglieder haben sie unterzeichnet und lehnen die Sanktionspolitik ab. Innerhalb der Partei wird darüber debattiert.
Wie sieht es bei SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Union und FDP aus?
Diese Parteien unterstützen bekanntlich weitgehend die Sanktionspolitik. Zuvorderst die »große Koalition«, aber auch die Führungsspitzen der FDP und der Grünen sind so aufgestellt. Wir interessieren uns insofern weniger für die Parteispitzen, sondern werben um die vielen Gewerkschaftsmitglieder, Aktivisten der Friedensbewegung und Zugehörige anderer sozialer Bewegungen, damit sie unsere Petition unterzeichnen.
Ihre Petition haben bislang mehr als 5.000 Unterstützerinnen und Unterstützer unterzeichnet. Sind Sie damit zufrieden?
Unser Ziel ist, bis 1. Mai 10.000 Unterschriften zu erreichen. Es geht darum, sich der Konfrontationspolitik entgegenzustellen und Widerstand aufzubauen. Wir werden weiterhin viele Gespräche über das Thema führen.