Tettnanger Student berichtet aus Havanna: Kuba muss sich selbst retten
7. Februar 2020
Wenn aus einem schönen Urlaub auf einmal ein schwieriger Alltag wird: Das erlebt gerade Marcel Kunzmann, der ursprünglich aus Tettnang kommt und derzeit seine Masterarbeit in Kuba schreibt. Urlaub hatte er dort schon ein paar Mal gemacht und wusste, dass die Bedingungen auf der Insel noch nie einfach waren, aber jetzt erlebt er hautnah die Sanktionen der USA mit. Auf seinem deutschsprachigen Blog „cubaheute“ berichtet er regelmäßig darüber.
Immer mehr Sanktionen folgen beinahe schon wöchentlich, sodass wichtige Handelspartner wie Venezuela von Kuba abgeschnitten seien und der Handels mit Drittländer generell eingeschränkt sei, berichtet er und wünscht sich mehr Öffentlichkeit dafür. In Deutschland berichten nur wenige über die jüngsten Ereignisse der Karibikinsel, obwohl die Situation auch Auswirkungen im Handel mit Deutschland haben könnte, beobachtet er.
Angefangen von Konsumartikeln über Arzneien bis hin zu öffentlichen Verkehrsmitteln – überall gibt es Engpässe. Das Leben in Kuba ist zur Zeit nicht einfach. „Diese Krise betrifft wirklich alle Aspekte des Alltags“, bestätigt der 27-jährige Student der Politikwissenschaft, der eigentlich in Berlin studiert, aber momentan in Havanna lebt. Er schreibt seine Masterarbeit über Wirtschaftsreformen in Kuba und ist für Forschungszwecke vor Ort. Davor hat er schon eineinhalb Jahre in Havanna studiert. Nebenbei führt er „cubaheute“, ein Blog im Internet über Kuba, bei dem es um aktuelle politische Ereignisse geht. Dieser sei nicht zufällig entstanden, meint er. Bei mehreren Urlauben hat ihm Kuba immer besser gefallen, aber er stellte fest, dass das Land mehr und mehr in eine Krise rutscht, jedoch kein deutsches Medium ausführlicher über die Lage berichte. Kurzerhand nahm er das selbst in Angriff´, und so war der Blog geboren, der mittlerweile schon seit 2016 existiert.
In Havanna wohnt er mit zwei Freunden in einer WG. „Die Einkaufsläden, die immer gut gefüllt waren, sind mittlerweile oft leer, Medizin fehlt in den Krankenhäusern und auch das Essen wird knapp, da die USA den Handel immer weiter einschränkt“, berichtet Kunzmann. „Zwar gibt es selten einen Laden, der vollständig leer ist, aber man muss sich aus mehreren Geschäften alles zusammensuchen.“ Er selbst bemerkt die angespannte Lage hauptsächlich beim Einkaufen und beim ÖPNV. So wurden die Busfahrten um mehr als die Hälfte reduziert. Die Gesundheitsversorgung funktioniere momentan noch, denn Kuba hat ein kostenloses steuerfinanziertes Gesundheitswesen.
Auch sei es für die Einwohner immer schwieriger, Kredite zu bekommen, da die Finanzlage extrem angespannt sei. Zudem dürften US-Bürger Angehörigen in Kuba nur noch 1000 Euro pro Vierteljahr zusenden. Die Einkünfte, die sich die Kubaner vom Tourismus und der Zuckerproduktion erhofft hatten, konnten sie im Jahr 2019 nicht erreichen, zählt er weiter auf. Kreuzschifffahrten und Einreisen mit dem Privatjet seien nicht länger geduldet, weshalb viel Tourismus wegfalle. Die Statistik weise nach, dass die Entwicklung der Exporte und Importe drastisch gesunken sei. So seien die Warenexporte seit 2014 um 47 Prozent zurückgegangen, während die Importe um 22 Prozent sanken, listet Kunzmann auf.
Der ehemalige US-Präsident Obama habe einige Sanktionen aufgehoben, jedoch führe der jetzige Präsident Trump eine nach der anderen wieder ein, berichtet Kunzmann weiter. Auch die Einreisen nach Kuba würden weiter eingeschränkt, sodass US-Fluggesellschaften keine Flughäfen außer Havanna mehr anfliegen dürften. Zudem seien keine Bildungsreisen mehr gestattet und Einreisen von US-Bürgern nur unter bestimmten Bedingungen genehmigt. Und das obwohl Kuba eines der beliebtesten Reiseziele in der Karibik sei. Kunzmann meint dazu: „Alle hoffen auf die nächste Präsidentschaftswahl und dass es dann wieder aufwärts geht. Obwohl davon auszugehen ist, dass Trump wiedergewählt wird.“
Doch es gibt dennoch erfreuliche Nachrichten aus Kuba. Trotz der Sanktionen baue das Land selbst, so gut es gehe, die Infrastruktur und die Digitalisierung aus. Seit noch nicht allzu langer Zeit gebe es mobiles Internet. Der LTE-Empfang solle zunehmend weiter ausgedehnt werden und die Haushalte Internetzugänge bekommen. „Teilweise ist das LTE deutlich schneller und günstiger als vergleichsweise in Deutschland“, berichtet Kunzmann. Auch könnten die Einwohner seit zwei Jahren endlich Online-Banking nutzen. Die rund 3,5 Millionen EC-Karten-Nutzer in Kuba seien dementsprechend erfreut gewesen. Das sei immerhin ein Anfang. „Die Kubaner wissen, das Jahr wird nicht einfach. Das ist nicht die erste und nicht die letzte Krise. Kuba muss sich selbst helfen, ein anderer tut‘s nicht“, sagt Kunzmann.
Mit seinem Blog will Kunzmann weiterhin auf die Verhältnisse in Kuba aufmerksam machen. Er betont, wie wichtig es sei, informiert zu sein und politische Handlungen nicht nur im eigenen Land zu verfolgen. Von Deutschland aus sei es nicht so leicht zu helfen, dennoch gebe es einige Organisationen, die Kuba unterstützen und im Internet zu finden sind.