In Kuba soll keiner schutzlos bleiben
Auch wenn die Zahl der umherziehenden Personen auf der Insel im Vergleich zu Ländern der Region und anderen Breitengeraden als sehr niedrig betrachtet wird, gibt es doch noch einiges zu tun, um dieses Phänomen zu beseitigen
februar 18, 2020 13:02:53
Auf Reina, der Straße, die die Stadtteile Centro Habana und La Habana Vieja der Hauptstadt miteinander verbindet, laufen die Menschen wie immer unter Säulen und Arkaden hindurch. Die Bushaltestelle weist kurzfristig weniger Leute auf, da gerade ein Bus gekommen war. Und da liegt er, zwischen Lumpen und Kartons. Unbeweglich.
Niemand weiß, ob er schläft oder ob er atmet. Keiner geht näher und niemand fragt ihn. Man will ihn nicht stören. Die grauen Barthaare verraten, dass es ein älterer Mann ist. Er scheint schon tagelang dieselbe Kleidung zu tragen. Hat er Familie? Hat er heute schon etwas gegessen? „Besser, ich fasse ihn nicht an. Soll sich der Staat um ihn kümmern“, sagt eine Frau einer anderen.
Da hat sie teilweise recht. Niemand sollte in einem Land wie dem unseren ohne Obdach sein, einem Land, in dem die Verfassung die volle Würde des Menschen als höchstes Gut festlegt. Der Mensch zählt, auch wenn er von seiner Familie aufgegeben wird. Nicht weil es nur darum geht, sein materielles Bedürfnis nach Kleidung und Nahrung zu befriedigen, sondern um, wie der Comandante en Jefe Fidel Castro Ruz es ausdrückte, „die Bedürfnisse seines Menschseins zu befriedigen, eines Menschen, der sich nicht damit abgefunden hat, sich nutzlos zu fühlen, der sich nicht damit abgefunden hat, sich unfähig zu fühlen, der das menschliche Streben in sich spürt, seine Fähigkeiten und seine Bereitschaft zu zeigen, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, um in der Gesellschaft zu leben und dass man ihn schätzt und respektiert.“
Auch wenn die Zahl der umherziehenden Personen auf der Insel im Vergleich zu Ländern der Region und anderen Breitengeraden als sehr niedrig betrachtet wird, gibt es doch noch einiges zu tun, um dieses Phänomen zu beseitigen und dass vor allem die Familien verstehen, dass er ihre höchste Aufmerksamkeit und Betreuung benötigt, sagten die Beamten der Ministerien für Arbeit und Soziale Sicherheit (MTSS) und des Gesundheitsministeriums (MINSAP), zwei der Einrichtungen, die hauptsächlich mit der Betreuung der umherziehenden Personen im Land befasst sind.
Wie hilft man heute den Personen, die ein solches Verhalten aufweisen?
In Kuba sind umherziehende Personen solche, die von einem Ort zum andern gehen, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben, auch wenn sie meistens sogar einen Beruf und eine Adresse haben. Darunter gibt es auch Personen, die ein dissoziales Verhalten zeigen und unmäßig Alkohol zu sich nehmen, Personen mit Wohnungsproblemen und ältere Menschen ohne familiären Schutz.
Der Verwaltungsrat der Provinz, die lokalen Regierungen und die für die öffentliche Ordnung zuständigen Beamten sind die wichtigsten Instanzen, wenn es darum geht, Personen, Familien oder Gruppen mit diesem Verhalten aufzuspüren.
Omnibusse der lokalen Regierung fahren auf der Suche nach Personen, die diese soziale Verwundbarkeit aufweisen, durch jede Provinz des Landes, um sie zu Einrichtungen zu bringen, die sich ihrer annehmen. „Nachdem sie identifiziert wurden, wird als erster Schritt versucht herauszufinden, wo die Person lebt und ob sie unter einer bestimmten Krankheit leidet“, sagte Belkis Delgado Cáceres vom MTSS.
In vielen Fällen handelt es sich gar nicht um jemanden, der umherzieht, sondern um Personen, die zu viel getrunken haben und ohne es selbst zu bemerken, unter irgendeiner Arkade der Stadt eingeschlafen sind. In diesem Fall nimmt man mit den Angehörigen Kontakt auf und bringt sie zur Familie zurück.
Wenn man eine umherziehende Person auffindet, die keine Familienangehörigen hat, wird sie zu einem Zentrum des Sozialen Schutzes gebracht. In Kuba gibt es fünf Zentren dieser Art. Dort hat man mehr Zeit, Familienangehörige ausfindig zu machen.
In diesem Zentrum wird die Person ausgiebig medizinisch untersucht, einer Hygienebehandlung unterzogen und man führt die ersten Überprüfungen durch, um Entscheidungen treffen zu können, die zur Wiedereingliederung der Person in das soziale Leben beitragen.
Im kubanischen Gesundheitssystem ist vorgesehen, dass die Personen die das Merkmal des Umherziehens aufweisen, von einem Arzt betreut werden (8 Stunden) und von Krankenschwestern (24 Stunden). Wenn die betreffenden Personen eine zusätzliche Analyse benötigen, werden sie in der nächstgelegenen Poliklinik behandelt.
Trotzdem ist dies ein Untersuchungszentrum und kein Ort des ständigen Aufenthalts, da es eine begrenzte Aufnahmekapazität hat. Dort wird eine erste Hilfe geleistet und man stellt sicher, dass die umherziehende Person in das soziale Leben zurückkehren kann.
Aber die Rolle der Familie ist unerlässlich, wenn man erreichen möchten, dass sie sich wieder in den Alltag eingliedert. Die Unterstützung der Familie ist der Schlüssel zur Beseitigung dieses Verhaltens.
LÖSUNGEN
Die Personen mit diesem Phänomen sind Erwachsene und in geringerem Maße alte Menschen. Viele von ihnen werden von ihrer Familie schlecht behandelt, haben keine Wohnung oder sind Eigentümer von Häusern, aus denen man sie vertrieben hat.
In diesen Fällen müssen ein Reihe von Entscheidungen getroffen werden. Die erste ist, wenn es keine Familie gibt, die sich um einen über 60 Jahre alten Erwachsenen kümmert oder ihn nicht so betreut, wie dies nötig wäre, dieser in ein Altenheim kommt. Kuba hat 155 dieser Einrichtungen. Dort werden alle seine Bedürfnisse gedeckt und das Ministerium für Arbeit und Soziales übernimmt die Kosten.
Es ist Aufgabe des Gesundheitsministeriums, dem Betroffenen einen Platz in dieser Einrichtung zu suchen oder aber in einer Casa de abuelos (Haus der Großeltern), von denen es 294 gibt, wenn nur eine Betreuung tagsüber erforderlich ist.
Im Fall, dass die Person eine unausgeglichene psychiatrische Pathologie aufweist, wird eine Einweisung in ein Krankenhaus für Kranke dieser Art in Erwägung gezogen.
In diesen Fällen ist die Einweisung nur temporär. Die Behandlung von Personen mit psychiatrischen Pathologien verlangt keinen verlängerten Aufenthalt in einem Krankenhaus, Sie werden behandelt, medikamentiert und kehren dann in ihr soziales Leben und in ihr Haus zurück.
Wenn die Person Anzeichen einer chronischen Krankheit aufweist, garantiert das MINSAP ihre Behandlung in Krankenhäusern der Insel.
Viele die auf den Straßen leben, haben Wohnungsprobleme gehabt. Das Umherziehen ist nicht immer mit einer Pathologie oder einer Sucht verbunden. Es gibt heute viele Personen, die auf der Straße leben, weil sie Probleme mit der Wohnung haben.
Das kommt häufig bei älteren Menschen vor, die umherziehen. Einige von ihnen besitzen Häuser oder Wohnungen, aber die Familien wollen sie nicht und haben sie vertrieben. Und da sie nicht wissen, was sie tun müssen, um ihr Recht zu bekommen, übernachten sie auf der Straße.
Ähnliches geschieht bei Personen, die zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Wenn sie aus dem Gefängnis kommen, werden sie von ihrer Familie zurückgewiesen.
In solchen Fällen schreitet entsprechend der Vereinbarung 1456 aus dem Jahr 2014 die Generalstaatsanwaltschaft ein, die die Verantwortung dafür trägt, dass die Familienangehörigen von Personen, die umherziehen, ihren Verpflichtungen nachkommen.
Die Staatsanwaltschaft stellt außerdem sicher, dass die Bürger, die psychisch gesund sind, die Durchsetzung ihrer Rechte fordern können.
Im Fall von psychisch Kranken, die über keine juristische Erklärung über ihre Invalididät verfügen denen Güter entzogen wurden oder die Gefahr besteht, dass dies geschieht, muss die Staatsanwaltschaft die entsprechenden Familienangehörigen ausfindig machen, die sie für geschäftsunfähig erklären.
Wenn die psychisch Kranken Eigentümer von Wohnungen sind, werden Maßnahmen zur Einleitung eines Gerichtsverfahrens eingeleitet, das zur Wiederherstellung seiner Rechte führt.
Im der Vereinbarung 1465 ist außerdem festgelegt, dass die Nationale Revolutionäre Polizei außer dass sie die Identität der umherziehenden Personen und ihre Hintergründe feststellt, auch für die Anwendung legaler Maßnahmen gegen Familienangehörige sorgen muss, die ihrer Fürsorgepflicht nicht nachkommen.
EINE ANSTRENGUNG ALLER
„Mit der Anstrengung von 6.000 Sozialarbeitern, über die das Land verfügt, ist es uns gelungen, vielen dieser umherziehenden Personen wieder zu einem würdigen Leben zu verhelfen“, sagt Belkis Delgado Cáceres.
„Trotzdem ist es schwierig die richtige Entscheidung zu treffen, wenn die Familien sich nicht verstehen. Wir müssen mehr vorbeugend tätig werden und nicht warten, bis das Problem schon da ist.
Trotzdem ist von 2014 bis heute die Zahl der Umherziehenden beträchtlich zurückgegangen. Heute wissen wir genauer über die Zahl der Personen in dieser Lage Bescheid und wir haben Erfahrungen gewonnen, wie man damit umgehen muss und wir wissen was zu tun ist, um zu verhindern, dass jemand, dem schon einmal Beistand geleistet wurde, wieder rückfällig wird.
Auf der anderen Seite haben wir Familien über die Sozialhilfe geschützt, wenn wir herausgefunden haben, dass in der Familie einer umherziehenden Person nicht genügend Einkommen vorhanden ist.
Aber man muss betonen, dass dies nicht nur eine Arbeit der betroffenen Behörden ist, Hilfe zu leisten ist eine soziale Pflicht,
Auch wenn die Zahlen nicht hoch sind, leben wir in einem Land von 11 Millionen Einwohnern und wir machen uns Sorgen solange auch nur ein einziger Kubaner umherzieht“, sagte Belkis Delgado Cáceres zum Schluss.
http://de.granma.cu/cuba/2020-02-18/in-kuba-soll-keiner-schutzlos-bleiben