Die sozialen Netze sind ein kolonisiertes Gebiet geworden
Der spanische Professor Francisco Sierra hielt einen Vortrag über die Nutzung der neuen Technologien
februar 5, 2020 15:02:06
Welche Veränderungen bringt der technologische Wandel mit sich? Welches ist die Rolle der Kommunikation und der Kommunikatoren auf dieser Bühne? Was versteht man unter Kultur und digitalem Bürger? Ist der Cyberaktivismus eine neue Realität?
Auf diese Fragen konzentrierte sich der Vortrag des spanischen Professors für Kommunikation an der Universität von Sevilla Francisco Sierra Caballero bei der von der Gesellschaft der Kommunikatoren Kubas (ACC )organisierten Veranstaltung „Kommunikator Martí“.
Die Technologien haben die Welt und die Sichtweise verändert, die man von ihr hat. Von einem optimistischen Blickwinkel aus betrachtet, kann man sagen, dass sie gekommen sind, um die Konzeption des Volkes als eine träge, unkritische Masse zu verdrängen, die unfähig ist, eine radikale Veränderung ihrer Umwelt zu erreichen.
Das heutige Szenario unterscheidet sich von früheren. „Wir befinden uns schon nicht mehr in den Zeiten der massiven hegemonialen Kommunikationsindustrie, eines zentralisierten ,unilateralen Modells, das auf Arbeitsteilung basiert und bei dem wir den Empfänger nicht berücksichtigen“, sagte Francisco Sierra bei seinem Vortrag in Havanna.
Heute ist irgendein Bürger der nur ein mobiles Telefon als Werkzeug zur Verfügung hat, in der Lage seine nächste Realität wiederzugeben. „Einige Theoretiker bestehen auf einem pessimistischen Diskurs, der behauptet, dass der Journalismus mit dem Entstehen der Technologien und dem Impuls der sozialen Netze, gestorben sei. Das ist nicht wahr. Der Journalismus ist so lebendig wie nie zuvor“, behauptete Sierra, der Mitglied des Andalusischen Instituts für Kommunikationsforschung und Kultur und Präsident der ULIPECC ist.
Welche Veränderungen bringt der massive Zugang zu den Technologien der Kommunikation und der Informatik mit sich? Wie benutzen die der einfachen Leute die Symbole, wie bauen sie sich ihre Erfahrungen über die Netze auf? Wie treffen sich die Leute, wie solidarisiert man sich, tauscht sich aus und organisiert sich?
Die jüngste Welle von Protesten in Lateinamerika, Europa und Asien sind dafür ein deutliches Beispiel. Er stellte die Rolle der sozialen Netze im Hinblick auf den digitalen Aktivismus, die Bewegungen im Netz, den Aufbau der Technopolitik oder des Cyberaktivismus als eine neue Realität in den Mittelpunkt der Debatte.
„Es gibt Fälle wie 15 m in Spanien, die Gelbwesten in Frankreich, die Bewegung „Ich bin 132 „ in Mexiko, die Revolution der Pinguine in Chile oder die konterrevolutionären Prozesse, die während der Wahl zum Verfassungsreferendum in Bolivien 2016“ stattfanden, zählte er auf.
„Diese Beispiele machen deutlich, dass man in den sozialen Netzen einen anderen öffentlichen Raum schafft“, sagte Sierra. „ Von einer materialistischen Perspektive aus könnten wir das als eine neue Alternative zur Kommunikation der institutionellen klassischen Kanäle oder der konventionellen Medien ansehen“, sagte er weiter.
In jedem Fall sei das Wichtige, die Besetzung des öffentlichen Raums gewesen, wie im Fall der Bewegung 15 m in Spanien, Es war nicht so relevant eine Mobilisierung in den sozialen Netzen zu erzeugen als es war, physisch einen Platz zu besetzen, in diesem Fall die Puerta des Sol in Madrid. „Die gegenseitige Durchdringung des Physischen und des Virtuellen ist eines der Merkmale des neuen virtuellen Umfelds“, sagte er.
„Auf der anderen Seite impliziert der digitale Aktivismus eine Debatte darüber, wie man heute diese digitalen Fronten aufbaut, ein Terrain, das man in seiner Tiefe in unseren Universitäten nicht behandelt. In Spanien gibt es auf diesem Feld keine Studien und auch keine Forschungsgruppe, die sich mit der Nutzung der neuen Technologien durch die jungen Leute befasst. Wenn sie nicht Fernsehen gucken, und auch keine Zeitung lesen, wie man bewiesen hat, was machen sie dann? Wir wissen nicht, was passiert, wir wissen weder was im häuslichen Bereich noch in den Organisationen vor sich geht“.
Francisco Sierra wies auf andere Herausforderungen hin, die unsere Universitäten übernehmen müssten. Darunter nannte er, dass „die Kräfte des Fortschritts, als Akademiker oder Intellektuelle, anfangen müssen daran zu denken, dass die kommenden Veränderungen in der Welt von den neuen Technologien abhängen werden, die in einigen wenigen Territorien und Unternehmen auf das höchste konzentriert sind. Einige wenige sind dabei, normative Protokolle zu etablieren. Es ist ein Raum, den sie kolonisiert haben.“
Es ist kein Zufall, dass die neuen Generationen immer mehr entpolitisiert sind“, bedauerte er.
Zum Schluss drängte Franciso Sierra darauf, „ von diesen zuvor erwähnten Bewegungen zu lernen. Sie seien der Beweis dafür, dass es eine neue Vorstellung der Emanzipation gibt und eine neue Ära der politischen Kultur. Lasst uns dieses Phänomen studieren, die transformativen Bindungen der Menschen stärken, die sich die Technologien angeeignet haben.“
Der spanische Professor Francisco Sierra sagt, dass der Journalismus so lebendig wie nie zuvor sei und dass die größten Verbreiter von fake news die großen Agenturen seien.
Von Francisco Sierra vertretene Auffassungen
• Donald Trumphat mit einer Einflusszone begonnen, aber weder beginnt der Cyberkrieg mit ihm noch ist er etwas Neues in Lateinamerika. Es ist ein Prozess, den man innerhalb des Gebiets der USA selbst ausprobiert hat und wenn wir von Cyberkrieg sprechen, den man weiter als wichtigste Achse des Disputs im Konflikt mit China ausprobiert, auch wenn alle nach Russland zeigen.
• Er hat in Bolivien funktioniert, aber man muss daran erinnern, dass er nicht nur während des Putsches sondern auch während des Referendums 2016 funktioniert hat. Damals hatten die Medien unisono und in Allianz mit den Netzen als einziges Narrativ die falsche Vaterschaft von Evo Morales und die nicht bewiesene Korruption.
• Heute, mit den sozialen Netzen, funktioniert das Gesetz von der Spirale des Schweigens noch besser ( jene überrepräsentierten Meinungen, die dazu tendieren sich aufzuzwingen auch wenn sie nur eine Minderheit darstellen), denn es gibt auch den Effekt des Glashauses d.h. der psychologischen und sozialen Isolierung der Individuen, die mit Freunden und Netzen in Verbindung treten, mit denen sie eine einzige Sichtweise teilen.
• Die Doktrin der weichen Putsche hatte in den 80er Jahren in Lateinamerika ihren Anfang, als die Ultrarechte der USA beschloss eine neue Strategie der Intervention auszuarbeiten, die in Mittelamerika und Nicaragua mit dem schmutzigen Krieg gegen die sandinistische Revolution ausprobiert wurde und die man bis heute perfektioniert hat.
• Facebook, Twitter, die großen Unternehmen wie Microsoft, Apple sind das gewesen, was IBM beim Putsch gegen Salvador Allende war; sie haben immer mit dem Pentagon zusammengearbeitet. Daran hat sich nichts geändert.
• Heute mit den neuen Unternehmen ist der sogenannte Kapitalismus der digitalen Plattformen überschwänglicher Mitarbeiter der US-Regierung. Diese Zusammenarbeit zeigt sich darin, dass der Fluss zum Stillstand gebracht wurde, wie es im Fall von Ecuador geschehen ist oder im Fall von Julian Assange, als Facebook und Twitter dafür sorgten, dass Konten von progressiven Kräften gelöscht wurden, um den Austausch zu verhindern.
• Die Youtuber sind normalerweise ein Phänomen einer neuen digitalen Kultur, die mit einem neoliberalen Diskurs einhergeht, etwas das sich innovatives Unternehmertum nennt; ein Unternehmer zu sein ist an sich das Höchste der liberal-konservativen Utopie,
• Die neuen Generationen, zumindest in Europa und in den USA benutzen schon nicht mehr die traditionellen journalistischen Medien.
• Die Postion der aktuellen massiven Kommunikationsmedien ist die gewesen, anzuklagen, dass in den Netzen nur falsche Nachrichten zirkulierten, aber wahr ist, dass die größten Verbreiter von fake news die großen Agenturen sind.
http://de.granma.cu/mundo/2020-02-05/die-sozialen-netze-sind-ein-kolonisiertes-gebiet-geworden