Abschied von unserem compañero Hartmut Meinert
Für Hartmut (gest. am 26.12.2019), Trauerfeier am 12.02.2020 in Velbert.
Es gab Abschiedsreden von der IG Metall Velbert, von Günter Pohl für die DKP und von Carola Wollweber für die FG BRD-Kuba, Regionalgruppe Essen. Die beiden letzten sind hier dokumemtiert.
Günter Pohl:
Um zu begreifen, dass die Welt veränderbar ist, ist es unabdingbar zu wissen, dass die Welt erkennbar ist. Das klingt simpel, aber es ist keine Selbstverständlichkeit. „Da hasse wahr“, hätte Hartmut gesagt.
Denn nicht erst heute – in Zeiten von „Fake-News“ von rechts und von oben, in Zeiten von Esoterik und Wissenschaftsfeindlichkeit, in Zeiten von Glauben statt Fakten, in Zeiten von Ellbogen und Aggressivität, in Zeiten von Geschwindigkeit statt Überlegung, in Zeiten von allgemeiner Intoleranz – nicht erst seit heute also, wird von Seiten der Herrschenden alles getan um der Aufklärung die irrationale Verdunkelung entgegen zu setzen. Religionen werden oft mehr benutzt um Menschen gegeneinander aufzuhetzen als dafür sie zusammen zu führen – und Dinge werden immer wieder aus ihrem Kontext gerissen, bis die Ursprünge und Gründe nicht mehr verstanden werden können. Die Medien sind Meister in der Dekontextualisierung.
Hartmut Meinert ist in eine Zeit hineingeboren worden, die der Tiefpunkt für die rationale Aufklärung war. Führerkult, Mythos, Rassenideologie, Ausgrenzung, Herrenmenschenwahn und Krieg – Krieg um die Durchsetzung dieser menschheitsgefährdenden Ideen der Nazis einerseits. Aber es war andererseits auch ein Krieg des Kapitals, der Krieg der Krupps gegen die Krauses und gewiss ein Krieg der Mannesmänner gegen die Meinerts. Leider haben viele Krauses nicht verstehen können, dass es vor allem auch ein Krieg des Kapitals war, nicht nur ein Krieg der Nazis. Den Krauses fehlte es an Erkennbarkeit der Welt – wie sollten sie dann erst zu deren Veränderbarkeit übergehen können?
Die Meinerts aber wussten von der Erkennbarkeit der Welt und hatten verstanden, dass es ein Krieg vor allem des Kapitals war. Für dessen Durchsetzbarkeit hatte man innere Gegner gebraucht: Die Juden, die slawischen Untermenschen, die Gewerkschafter, die Kommunisten, die Sozialdemokraten. Daher bediente das Kapital sich der Nazis, weil diese am aggressivsten gegen diese Gruppen hetzten. Die Meinerts wussten daher auch, dass „als von tausend Jahren nur elf vergangen waren“ und „die Welt in Scherben und Deutschland im Sterben“ lag, es nicht reichen würde, die Nazis zu vertreiben – man musste auch den Tätern im Hintergrund ihre Macht nehmen! Die Meinerts machten die Veränderbarkeit der Welt zu ihrer Sache. Und wussten von der Notwendigkeit sich dafür zu organisieren.
Hartmut war aus der Generation der Kinder, denen Franz-Josef Degenhardt im „Zündschnüre-Song“ (den wir im Anschluss hören werden) ein Denkmal gesetzt hat; Kinder, die „Spiele spielten, die sehr gefährlich sind“, weil sie im antifaschistischen Kampf aktiv waren. Hartmuts Vater August, von Beginn an Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands und wichtiger Mitkämpfer der Roten Ruhr-Armee, war im Konzentrationslager Sachsenhausen eingesperrt; an einem Zehnjährigen wie Hartmut geht das nicht vorüber.
Als Kind und erst recht nach der Befreiung vom Faschismus, nach 55 Millionen Weltkriegstoten, wovon fast die Hälfte Menschen aus der Sowjetunion waren, lernte Hartmut Meinert „von der Lehre und von der List“ der Widerstandskämpfer gegen Krieg und Faschismus.
Am Tag vor der Befreiung vom Faschismus, am 8. Mai 1945, war Hartmut zehn Jahre alt geworden. Eine angebliche „Stunde Null“ gab es 1945 nicht – nur die Uniformen waren weg oder sie änderten einfach ihre Farbe. Hartmuts Schulen waren die Gewerkschaft, die Interessensvertretung im Betrieb und seine Partei. Der Kampf gegen die Remilitarisierung und einen neuen Krieg war Anfang der 50er Jahre zentral. Hartmut war 16, als die Freie Deutsche Jugend durch die Adenauer-Regierung – der 1949 mehr NSDAP-Mitglieder angehörten als 1933 der ersten Hitler-Regierung – aufgelöst und illegalisiert wurde, und er war 21, als 1956 die KPD verboten wurde. Diese Organisationen wurden illegal, weil ihre Mitglieder die Zukunft gewinnen wollten und dafür kämpften. Verboten wurden sie von Richtern, die schon die Genossen von Hartmuts Vater in die Kerker werfen und zu Zehntausenden massakrieren ließen. 26 000 Mitglieder verlor die KPD im Faschismus. Und Hartmut verlor seinen älteren Bruder an die Wehrmachtsgeneräle. Deutschland ist übrigens nicht einer der 150 Staaten der Erde, die keine Kindersoldaten rekrutieren; 1 500 Jugendliche unter 18 Jahren waren letztes Jahr bei der Bundeswehr – das sei heute, am 12. Februar, dem Internationalen Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten, gesagt.
Hartmut machte trotz Verboten unverdrossen weiter. Sein aufrechter Gang führte Hartmut in die internationale Solidarität, die für ihn wenig mit milden Gaben, aber viel mit Gerechtigkeit zu tun hatte, wie auch der tansanische Präsident Julius Nyerere sagte: “Wir wollen nicht, dass ihr uns die Hand reicht, sondern dass ihr den Fuß aus unserem Nacken nehmt.” So ließ denn auch der Kampf des vietnamesischen Volkes gegen die Kriege, die ihm von Frankreich und den USA seit 1945 aufgedrückt wurden, Hartmut nicht unberührt. Er wurde mit ihrer Gründung 1976 Mitglied der Freundschaftsgesellschaft Vietnam, und ebenfalls war er noch während der Illegalität der KPD deren Mitglied geworden und schloss sich 1968 der neu konstituierten Deutschen Kommunistischen Partei an.
Als Mitglied seiner Partei, der DKP, ist er zeit seines Lebens gar nicht so stark in Erscheinung getreten. Sein Hauptaugenmerk galt neben der gewerkschaftlichen Tätigkeit und der Betriebsratsarbeit fortan vielmehr dem internationalen, antiimperialistischen Befreiungskampf. Mit der Revolution geriet 1959 Kuba in sein Blickfeld. Auch die Kuba-Solidarität ging Hartmut mit einem proletarischen Klassenstandpunkt an – und mit viel Herzblut. Er wurde Ende 1976 Mitglied der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, deren Vorstand er bis 2015 mehr als zwanzig Jahre lang angehörte.
Die zwischenzeitliche Niederlage nach den Konterrevolutionen in Osteuropa und der DDR verinnerlichte Hartmut mit der Gewissheit, dass nicht nur Freuden, sondern auch Leiden zu teilen sind. Nicht seine Sache war Opportunismus, wie er heute bei manchen Linken zu sehen ist, die mehr Einsicht in angebliche Notwendigkeiten als Kritik an den Verhältnissen vorbringen. Hartmut blieb bis zu seinem Tod überzeugter Kommunist.
Bertolt Brecht hatte Recht, als er schrieb: “Nur soviel Wahrheit setzt sich durch, wie wir durchzusetzen in der Lage sind. Deshalb kann der Sieg der Vernunft nur der Sieg der Vernünftigen sein.” Der Kampf des Kommunisten Hartmut Meinert war in diesem Sinne ein durch und durch rationaler. Sein sprichwörtlicher Humor steht dem nicht entgegen – er unterstreicht nur den humanen Optimismus, mit dem er alle Aufgaben anging.
Heute wäre es erstaunlich von jemandem zu hören, dass er zwanzig Mal auf Kuba war und viel Zeit und Kraft für unzählige Info-Stände und internationalistische Veranstaltungen aufgebracht hat – und dann nach fast 85 Jahren in dem gleichen, nicht eben großstädtischen, niederbergischen Ort stirbt, in dem er geboren wurde. Auf meine Frage, vor etwa fünf Jahren, ob er sich vorstellen könnte, eines Tages nicht mehr in Velbert zu wohnen, antwortete er auf seine Art: „Warum weg gehen? Ich hab hier nirgends ‘n Deckel offen…“
Von der Solidarität der kleinen Leute, der der Krauses und der der Meinerts, in ihrer Ähnlichkeit und ihrer Unterschiedlichkeit, wird man auch ohne Zutun der großen Medien immer wissen. Oder, wie es am Ende bei Degenhardts Zündschnüren heißt: … wird man dann noch lesen, wenn das, was sonst gewesen, ein Mensch nicht mehr versteht.“
Zündschnüre-Song von Franz Josef Degenhardt
Und als von tausend Jahren
nur elf vergangen waren
im letzten Jahr vom Krieg,
da lag die Welt in Scherben,
und Deutschland lag im Sterben
und schrie noch Heil und Sieg.
Der Mensch war sehr zerbrochen,
und nicht nur seine Knochen.
Der Mensch zerbricht auch schnell.
Und die von den Faschisten
sich nicht zerbrechen ließen,
die waren nicht mehr viel.
Gefoltert und geschunden,
geknebelt und gebunden,
und gingen aufrecht doch.
Und auch in den Fabriken,
in Lagern und Verstecken
lebten, kämpften sie noch.
Die Masken, die sie tarnten,
die Stimmen, die sie warnten,
die wußte nur der Wind.
Und Horcher gab es viele.
Und Kinder spielten Spiele,
die sehr gefährlich sind.
Und in den Bombennächten
in Höhlen und in Schächten
teilten sie ihre Not.
Und teilten ihre Freuden
und teilten ihre Leiden
und auch den Bissen Brot.
Sie hatten eine Lehre
und hatten auch Gewehre
und hatten ihre List.
In mehr als tausend Jahren,
da hatten sie erfahren,
wann ihre Stunde ist.
Und wie sie kämpften, litten
und lachten, liebten, stritten
in Solidarität,
das wird man dann noch lesen,
wenn das, was sonst gewesen,
ein Mensch nicht mehr versteht.
Carola Wollweber:
Viel wurde von den Leistungen, dem Engagement und vom Ideenreichtum wie auch seines Werdegangs – auch seit Beginn seiner Kindheit – unseres compañeros Hartmut in den Nachrufen der IG Metall und der DKP berichtet. Diese Bereiche sind in der jahrzehntelangen Gewerkschaftsarbeit, der Solidarität zu Cuba wie auch der internationalen Solidarität -auf der er durch Vietnam stieß-, der Landesweiten Politik und der damit einhergehenden Tätigkeiten vorzufinden. Zuverlässigkeit und Pflichtbewusstsein waren nur einige wenige seiner hohen Eigenschaften.
Diese Einsätze von Hartmut sind hervorzuheben und verdienen die allerhöchste Wertschätzung.
Die Weltpolitik, deren Zusammenhänge und Strategien, waren für Hartmut ein wichtiger Bestandteil seines Daseins. Unermüdlich war sein Alltag geprägt durch Einholung von Informationen hierzu und deren Analyse.
Als Internationalist war dies eine Selbstverständlichkeit- wie auch eine Notwendigkeit, um die Komplexität der Weltpolitik nachvollziehen zu können.
Die Regionalgruppe Essen der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V. möchte daher den menschlichen, emotionalen Bereich von Hartmut nicht vernachlässigen, da er durch diesen das war, was er auch tatsächlich darstellte: authentisch, fürsorglich, emphatisch, konsequent, rücksichtsvoll, beständig und vor allem verständnisvoll und geduldig.
Hartmut hatte die Fähigkeit, die leider vielen Menschen abhandengekommen ist: Einfühlsamkeit.
Durch seine zuvor aufgeführte Gewerkschaftsarbeit fand er früh Verständnis für den Interessenskonflikt zwischen Kapital und Arbeit.
Als Betriebsratsmitglied und später als Betriebsratsvorsitzender blieb er seinen Vorsätzen als Interessenvertreter der Arbeiter immer treu. Sein hieraus resultierendes Wissen – und ebenso seine strategischen „Schachzüge“ vermittelte er selbst jüngeren, fachfremden InteressensvertreterInnen und stand diesen selbst im Rentenalter noch hilfreich zur Seite.
Hartmut war kurz nach der Gründung der FG-BRD-Kuba e.V., 12/1974, deren Mitglied geworden. Seit 1994 war er Mitglied des Bundesvorstandes.
Auch nahm er an ca. 20 Reisen und Brigaden auf Cuba teil und war aktiv und realitätsnah mit den Projekten und Situationen be- und vertraut. Seine bereits benannten menschlichen und emotionalen Bereiche waren hierbei die ausschlagenden Eigenschaften, die eine Tragfähigkeit mit sich brachten.
Wie immer, war Hartmut auch in der Geschäftsstelle der FG-BRD-Kuba, ein tragender Pfeiler.
So half er regelmäßig dort aus, als es zu personellen Engpässen auch im Bereich der Büroarbeit kam. Hier mündete es darin, dass er dann dreimal wöchentlich dort tätig war.
Sein Amt als Bundesvorstandsmitglied wie auch seine vermittelnde Bürotätigkeit legte er dann an seinem 80. Geburtstag nieder und wollte sich eigentlich mehr seinem Rentnerdasein widmen.
Seine ständige humorvolle Art, ließ so manches zu bewältigendes Problem leichter erscheinen und somit auch zu guten Lösungen finden.
Gleich welches Missgeschick dem Einem oder Anderem passiert ist, er reflektierte das Geschehene und statt Vorwürfe oder negativer Kritik, es fanden Begründungen mit konstruktiver Kritik statt und somit stand er mit Verbesserungsmöglichkeiten zur Seite.
Lob war für ihn ein Instrument der Bestärkung und er wusste es gezielt einzusetzen, um weitere Motivationsarbeit zu fördern.
Diese menschlichen Eigenschaften brachte er auch bei den Aktivitäten oder bei den Mitgliederversammlungen unserer Gruppe ein.
Diese Lücke kann nicht aufgefüllt werden.
Hartmut war nur allzu oft der Pendel, der wieder alles ins Gleichgewicht brachte und das immer mit Geduld und Humor.
Ideenreichtum und Innovation waren ebenso seine unermüdliche Stärken und somit bereicherte er über Jahrzehnte unsere Gruppe.
Neben der aktiven Tätigkeiten in unserer Gruppe, ist ebenso der Einsatz in der Gruppe Velbert auf keinen Fall zu vernachlässigen. Durch seinen Einsatz konnten letzten Endes die Verbreitung und der aktive Einsatz der Cuba-Solidarität multipliziert werden.
Er hatte die Fähigkeit des interdisziplinären Arbeitens, so dass auch über seine Gewerkschaftsarbeit, viele den Zugang zur Cuba-Solidarität gefunden haben.
Besonders glücklich war Hartmut als er eine Lebensgefährtin gefunden hatte. Hier erfuhr er, dass auch mal das persönliche Glück – in fundamentalen Bereichen – in den Vordergrund zu stellen war. Der Zeit dieses Glücks der sich dann zur tiefen Freundschaft entwickelten Beziehung, war jedoch durch den Tod seiner Freundin Renate, leider zu kurz.
Geprägt durch seine Lebensgeschichte, blieb Hartmut stets bodenständig und feinfühlig, brachte sich in die praktische Solidarität der FG ein, als auch, dass er die zwischenmenschliche Solidarität nie vernachlässigte.
Jeder Mensch ist ersetzbar, so heißt es im Volksmund.
Diese Aussage kann durch Hartmut wiederlegt werden, denn, Hartmut ist nicht ersetzbar.
Hartmut, Wir sind sicher, dass Dein Vorbild Früchte getragen hat und auch weitertragen wird.
Wir können Dir leider nicht mehr als ein überdimensionales Dankeschön für Deine aufrichtige und authentische Zusammenarbeit mit auf Deinem Weg geben.
Hartmut – presente!