Die Casa de las Américas schließt sich unserem Volk in der Zurückweisung des Affronts gegen Martí an
Dass die Casa de las Américas unter den Bedingungen eines vom Imperium blockierten Kuba zu diesem Preis aufruft, hat ein große Bedeutung, die über unsere Grenzen hinausgeht • Es hat mit dieser Hoffnung vieler Intellektueller dieses Kontinents zu tun, für die der Preis weiterhin eine unbestrittener Referenzpunkt ist, ein Einsatz für die authentischste Kultur, die immer revolutionär sein wird und die deswegen auch Martí die Ehre erweist
januar 22, 2020 14:01:54
Ich möchte die Mitglieder der Jury noch einmal willkommen heißen, die aus verschiedenen Ländern der Region gekommen sind. Wir bedanken uns besonders dafür, dass sie die Einladung der Casa de las Américas in solch turbulenten Zeiten angenommen haben und uns ihre Unterstützung und Solidarität mitgebracht haben. Eine Umarmung und Dankbarkeit auch seitens der kubanischen Jury, alle zusammen Teil der Familie der Casa.
Dieser Wettbewerb wurde 1960 ins Leben gerufen worden, einige Monate nachdem die Einrichtung gegründet worden war. Wenn man das Buch betrachtet, dass Jorge Fornet und Inés Casañas (Premio Casa de las Américas. Memoria. 1960-1999),als vollständigen Überblick über die Preisträger und Jurymitglieder dieser Periode verfasst haben, versteht man sofort, dass die Geschichte des Preises „ auch die Geschichte eines großen Teils der lateinamerikanischen und karibischen Literatur in den letzten vier Jahrzehnten ist“. Viele zentrale Persönlichkeiten unserer Literatur nahmen als Jury an dem Wettbewerb teil:Nicolás Guillén, Asturias, Carpentier, Cortázar, Arreola, Lezama und eine lange Liste von etceteras von unverzichtbaren Namen.
Der Preis diente gleichzeitig auch, wie es in dem Buch heißt, „neuen Schriftstellern als Anreiz“. Fakt ist, das Autoren wie Soler Puig, Roque Dalton, Ricardo Piglia, Bryce Echenique, Skármeta und Eduardo Galeano ihre ersten Schritte in der Literatur machten, als sie von der Casa ausgezeichnet und publiziert wurden.
Jährlich diesen Preis zu organisieren, dies zu verbreiten und zu erreichen, dass die Manuskripte und die Mitglieder der Jury rechtzeitig in Kuba eintreffen, anschließend die prämierten Bücher zu veröffentlichen und international zu verbreiten, das waren keine leichte Aufgaben für eine kleine Insel, die schon sehr früh von den USA blockiert und schikaniert und außerdem noch verteufelt wurde, mit der alle Länder Lateinamerikas (mit der Ausnahme Mexikos) die diplomatischen Beziehungen abbrachen; eine Insel umgeben von Wasser, Drohungen und Verleumdungen.
Ich möchte gern hier die Zeugnisse zweier lateinamerikanischer Schriftsteller mit ihnen teilen, die uns sehr nahen stehen, sehr zu uns gehören und in dem Buch von Jorge und Inés erscheinen.
Julio Cortázar sagte:
„Die Casa begann, als alles äußerst unsicher und schwierig war (…). Der Preis stellte damals etwas wie eine unerwartete Herausforderung dar, (…) es war nicht nur schwierig daran als Kandidat oder Jury teilzunehmen, der ganze Prozess als solcher (…) war noch viel schwieriger. Das Zusammensetzen und die Verbreitung der Bücher (…), das Papier, die Tinte und die Maschinen, die fast immer nicht vorhanden oder defekt waren und die Verbreitung der Bücher im Ausland, die in vielen Fällen mehr ein Ideal als etwas praktisch Durchführbares darstellte.“
Und Mario Benedetti, dessen 100. Jahrestag wir in den nächsten Tagen, während der Buchmesse, begehen werden, hinterließ uns ein sehr enthüllendes Beispiel für die Zähigkeit dieser Casa, die zweifellos über lange und fruchtbare Jahre hin seine Casa war:
„Die Casa (…) unternahm kolossale und erfolgreiche Anstrengungen, um gegen die kulturelle Blockade vorzugehen, dass die Lateinamerikaner kamen (…), auch wenn wenn sie dafür die kompliziertesten Wege in Kauf nehmen mussten, die sie über die Tschechoslowakei, Irland und Kanada führten (…) Als ich das erste Mal im Januar1966 nach Kuba kam (…) musste ich nicht weniger als fünfzig Stunden fliegen (…) und ich saß außerdem noch 18 Tage in Prag fest, weil die alten und verdienstvollen Britannia Flugzeuge (die einzigen, die Kuba damals hatte) dringend von den Geriatern der Luftfahrt gewartet werden mussten. Aber ich bin mir sicher, dass die Casa uns in kleinen Flugzeugen, oder Segelschiffen oder Booten mit Außenbordmotor hingebracht hätte, damit der Preis die Blockade besiegte.“
Auch der Casa Preis 2020 musste unter Bedingungen äußerster Anspannung vorbereitet werden, die durch die Politik der Trump Administration bedingt ist, die die Blockade und ihre Aggressivität in einem nicht vorstellbaren und wirklich nie dagewesenen Ausmaß verschärft hat. Wir waren dabei auszuwerten, ob wir die Jury bis nach Cienfuegos transportieren könnten oder ober wir sie zu einem näher gelegenen Ort bringen würden. Wir konnten natürlich auf die Unterstützung des Ministeriums für Kultur und des Tourismusministeriums und der Behörden in Cienfuegos zählen, so dass wir an dem Programm wie geplant festhalten konnten.
Was allerdings nie außer Frage stand, und das kann ich Ihnen versichern, war, dass wir den Preis durchführen würden und dass er ein weiterer Sieg der kubanischen Kultur und der lateinamerikanischen und karibischen Kultur sein würde.
Jetzt möchte ich über jemanden sprechen, der bei dieser Feier fehlt: Roberto Fernández Retamar, Direktor der Zeitschrift Casa seit 1965 und über dreißig Jahre lang Präsident dieser Einrichtung. Es ist eine schmerzhafte Abwesenheit, eine Wunde, die nur sehr schwer zu heilen ist (die sicherlich unheilbar ist). Seine Führung, die Tiefe seiner Reflexionen und seiner Poesie erfüllten die Räume der Casa, die des Künstler- und Schriftstellerverbandes, der Universität von Havanna, des Zentrums für das Studium Martís und unserer gesamten Kultur und hinterließen eine unverwechselbare Spur. Er vererbte uns ein größeres, bedeutendes Werk, das auf globaler Ebene auf entscheidende Weise das Denken der Entkolonisierung genährt hat.
Keiner war wie Roberto in der Lage auf so klare und scharfsinnige Weise de Stereotypen zu demontieren, die irreführenden Worte und Konzepte, den kolonisierenden, eurozentristischen oder yankeezentristischen Blickwinkel und den Mythos der Überlegenheit des Westens über die Völker des Ostens und des Südens.
Die Casa erhebt sich über einer konzeptuellen Plattform, die mit all dieser Demontage, die Roberto durchführte, zu tun hat. Und sie hat ganz offensichtlich mit Bolívar, Martí und Fidel zu tun, mit den Beiträgen zahlreicher kreativ Schaffender, der Kultur des Volkes, des reichen, lebendigen Erbes, das wir besitzen, mit all dieser beeindruckenden multikulturellen Anhäufung ( befreiend und anti-kolonial) des lateinamerikanischen und karibischen Umfelds.
Roberto war einer der hingebungsvollsten und durchdrungendsten Anhänger von Martí, den wir hatten, ein genialer Interpret der Weltsicht des Apostels, seines anti-immperialistischen auf die Einheit Lateinamerikas und auf die Dritte Welt gerichteten Gedankenguts, der denselben Weg wie Fidel und andere unserer Intellektuellen verfolgte: Sie kamen zum Marxismus, nachdem sie intensiv mit Martí zusammengelebt hatten.
Roberto arbeitete sehr eng mit Haydée Santamaría und infolgedessen auch eng mir Fidel. Er nährte sich in einem unaufhörlichen Dialog mit seinen Vorstellungen. Er verstand von Grund auf dessen einzigartige Weise zu argumentieren, zu debattieren und unterschiedliche Ideen durch scheinbare Abschweifungen zusammenzubringen und immer wieder zum zentralen Kern seines antidogmatischen Denkens zurückzukehren, unerschöpflich, ein Feind vereinfachender Antworten, schematisch, immer bereit, die geschichtlichen Verflechtungen zu erforschen und aus dieser Suche überraschende Lehren herauszuziehen und in die Zukunft zu reisen, um die Fallen, Gefahren, Verzerrungen vorauszusehen und sich alle möglichen und auch unmöglichen Lösungen auszudenken.
Ich erinnere mich, dass Roberto gesagt hat, dass Fidel ein Martianer wäre, der nicht Martí zitieren müsse, er wäre für ihn so natürlich und organisch wie der Atem. Und heute könnten wir sagen, dass in Roberto Martí und Fidel organisch zusammengekommen sind. Er kannte außerdem auch Che, der ihn als Politiker, als Begründer des neuen Kuba und als tiefgründiger Intellektueller beeindruckte und über den er außergewöhnliche Seiten schrieb. Er las alles und debattierte alles – und deswegen hat er uns so viele unverzichtbare Spuren hinterlassen.
Haydée fand in Roberto einen brüderlichen, loyalen Mitarbeiter, der inmitten der schwierigen Kämpfe der 60er und 70er Jahre von großem Nutzen war, als die USA ihre Offensive im kulturellen Bereich verstärkten, um Kuba zu isolieren und um unter allen Umständen zu verhindern, dass sich eine nicht vom System gesteuerte künstlerische und kritische intellektuelle Bewegung bildet.
Um sich an einem Tag wie heute an Haydée zu erinnern, muss man noch einmal Roberto zu Wort kommen lassen:
„… Die Casa hat den Stempel Haydée Santamarías. Sie prägte für immer die Casa mit ihrer feurigen Spur (…). Sie war eine einzigartige, außergewöhnliche Person, die alles was sie machte mit ihrer persönlichen Note versah, und sie machte vieles.(…) Haydée (…) brachte nicht das akademische Wissen zur Casa, das sie nicht besaß und das sie auch überhaupt nicht interessierte, sondern die Frische vorurteilslos die Welt der Kultur zu betreten. (…) Sie besaß eine umwerfende Intelligenz, die so glaube ich, besonders umwerfend war, weil sie sich an keine Norm hielt. (…) Sie erlebte außerordentlich schlimme Stunden unseres Amerikas. Über die Casa gelang es ihr, dass Kuba kulturelle Beziehungen, die oft sehr intensiv waren, mit vielen der besten Schriftsteller, Intellektuellen und Künstler Lateinamerikas aufrechterhielt.“
Einer der Schlüssel um diese Bindung zum gesamten Kontinent aufzubauen, hat mit ihrer Überzeugung zu tun, dass die Kultur vor allem ein Weg zur Emanzipierung des Menschen ist. Das ist eine Grundidee. Man verrät die Kultur, wenn man sie als Instrument der Beherrschung einsetzt, wenn man sie als Nebenprodukt ansieht, als Ornament, als Ware.
Dieser Preis ist sicherlich inmitten des Klimas, das in den hegemonialen Schaltkreisen der künstlerischen und literarischen Förderung vorherrscht, in denen der Markt sich zum obersten Richter erhoben hat, etwas Ungewöhnliches. Der Schwerpunkt liegt heute auf kulturellen Produkten oder Nebenprodukten, die sich mit der Unterstützung des effizienten Apparats der Werbeindustrie gut verkaufen. Wie bereits vor einigen Jahren Dubravka Ugresic bitter feststellte, ist der Markt der Literatur an einem Tiefpunkt angekommen. Er hat einen Punkt erreicht, an dem die Memoiren von Monica Lewinsky mehr Publizität verdienen als das Gesamtwerk von Marcel Proust.
In einem solchen Kontext vergibt die die Casa de las Américas von Havanna aus beharrlich ihren Literaturpreis ohne Konzessionen zu machen, ohne auch nur ein Stückchen von ihrer freien und kreativen Natur zu verlieren, ohne sich auch nur einen Millimeter von dem zu entfernen, das sie seit ihrer Gründung ausmacht.
Der Preis Casa ist immer antikolonial, martianisch, kalibanisch, Ausdruck nicht verhandelbarer Bindung an die Kultur, seinem Wesen nach weit entfernt von allen Marketing Operationen der Verlagskonglomerate, zu denen sich viele der am meisten publizierten Wettbewerbe entwickelt haben. Der Preis konzentriert sich auf die Stringenz und die Qualität der Werke im Wettbewerb, auf ihren Tiefgang, auf die Herausforderungen, die sie sich stellen und nicht auf die billigen Effekte oder potenzielle Verkaufserfolge.
Es ist auch niemals ein Wettbewerb zur Förderung pamphletischer Literatur gewesen. Bei ähnlicher Gelegenheit hat Roberto die Jury gebeten, sie sollten sich an eine Beobachtung Martís erinnern: „Die Poesie, die eine Kunst ist, kann man nicht damit entschuldigen, dass sie patriotisch oder philosophisch ist, denn sie muss standhalten wie die Bronze und vibrieren wie das Porzellan“.
Aktuell ist das Pamphlet, das wahrhaftig in Mode gekommen und mit großer Begeisterung und viel Geld verbreitet wird, das Pamphlet der Rechten. Niemand erlaubt sich, es als „Pamphlet“ zu bezeichnen, aber das ist in Wirklichkeit seine Funktion: die Subjektivität des Lesers in einem unterhaltsamen und leichten Stil zu entführen und ihn dahin zu bringen, dass er das System akzeptiert und sich an seine Position als unterwürfiger Konsument anpasst.
Die kulturelle Krise, die die Welt erlebt, wird von einer moralischen, politischen, institutionellen und juristischen Krise begleitet. „Alles, was fest ist, löst sich in Luft auf“ sagte Marx 1848 und 1992 nannte dann Marshall Berman eines seiner wertvollsten Bücher so. Heute muss man diesen Satz alles was fest ist löst sich in Luft auf, alles, was heilig ist, wird entweiht wiederholen.Die Wahrheit und die Lügen leben promiskuitiv zusammen. Um deinen Feind zu besiegen, um zu gewinnen, ist jedes Mittel recht. Es gibt keine Grenzen, es gibt keinen Anstand, es gibt keine Scham.
Auf der anderen Seite besteht die Tendenz alles zu banalisieren und ein eine Show zu verwandeln, die Politik, selbst der Krieg, die Drohungen des Kaisers über Twitter. Seine Arroganz und die seines Hofes kennen keine Grenzen. Die Konflikte werden nicht verhandelt.Sie enden (oder beginnen) mit Angriffen, Sanktionen und noch mehr Sanktionen und sie brechen immer wieder die Prinzipien, auf denen die UNO errichtet wurde, die des Multilateralismus, des Konsenses, der Gleichberechtigung der Länder unabhängig von ihrer Größe oder ihrer militärischen und wirtschaftlichen Macht. Die elementarsten Normen des internationalen Zusammenlebens werden von einem grotesken Kaiser ignoriert, den Roberto treffend „atomarer Caligula“ nannte.
Der Aufruf für diesen Preis hat inmitten historisch sehr dramatischer und turbulenter Umstände in der Region stattgefunden. Wenn Haydée „außerordentlich schlimme Stunden unseres Amerika erlebte“, so erleben wir heute ähnliche Stunden. Wir sind Zeugen der Brände im Amazonasgebiet und anderer Brände, die mit der Offensive der Ultrarechten und der USA, mit der Wiederauferstehung der Monroe Doktrin und des Mc Carthyismus, Konspirationen und juristischen Fallen gegen progressive Führer und abscheulichen Verbrechen in Verbindung stehen.
Wir haben in den Netzen und über Telesur jüngst entdeckte Massengräber mit Hunderten von Leichen gesehen, junge Leute, die ihr Augenlicht durch Gummikugeln der Carabineros verloren haben, Migrantenkinder in Käfigen, getrennt von ihren Familien, Demonstranten, geschlagen, gefoltert, verbrannt durch mit Säure vermischten Wasserstrahl, ermordet; schamlose Einkesselungen, politische Verfolgung und Rache. Formen von Staatsterrorismus sind wieder entstanden, die aus den Zeiten von Pinochet, von Videla, der Operation Condor zu stammen scheinen.
Das Jahr 2019 begann in Unserem Amerika mit einem apokryphen „Präsidenten“, der sich in Venezuela selbst ernannte und der hastig von 50 Ländern mit den USA an der Spitze anerkannt wurde und man leitete eine Eskalation aller Arten von Aggressionen gegen die rechtmäßige Regierung dieses Bruderlandes ein. Das Jahr endete in Kolumbien mit einer Rekordzahl an geopferten sozialen Führern und in Chile mit den Carabineros, die gegen Tausende von Demonstranten vorgingen, die sich auf der Plaza de la Dignidad in Erwartung des neuen Jahres versammelt hatten, um die Opfer der Repression zu ehren.
Es ist kein Zufall, dass 2019 in den USA die Verbrechen und die Hassgruppen zunahmen. Es war ein Jahr reich an Massenschießereien. Am 3. August ermordete ein junger weißer Suprematist in El Paso Texas 22 Personen und verletzte weitere 24. Er war mit einem Gewehr und viel Munition dorthin gegangen, „um Mexikaner zu töten“, wie er erklärte. Seriöse Analysten stimmen darin überein, dass der rasante Anstieg dieser Phänomene mit der Wahlkampagne von Donald Trump 2016 begann. Seine aggressive, rassistische gegen die Immigranten gerichtete Rhetorik hat im Innern des Landes und auch nach außen hin funktioniert.Seine häufigen Ausfälle in Bezug auf Lateinamerika und die Karibik sind immer voll von Verachtung und Rassismus.
Wir sollten dabei nicht vergessen, dass die Methoden der kulturellen Zerstörung von als minderwertig angesehen Völkern um Eroberungskriege zu rechtfertigen von den Griechen und Römern angewandt wurden, genauso wie von den raubgierigen Rittern der Kreuzzüge, von den „Entdeckern“ Amerikas, von jenen, die in Afrika Jagd auf „wilde“ Männer, Frauen und Kinder machten, um sie zu versklaven.
Dem Völkermord von Hiroshima und Nagasaki gingen in den USA die Internierung von über 120.000 Immigranten in Konzentrationslagern und eine offen rassistische Kampagne voraus. In einer Chronik über die Schlacht von Iwo Jima (Februar-März 1945) heißt es in der Zeitschrift Time ,dass „der durchschnittliche Japaner unvernünftig und dumm ist. Vielleicht ein menschliches Wesen, aber nichts deutet darauf hin.“ Wie viele Male hat man in der Geschichte des Westens den „minderwertigen“Opfern der Mächtigen das Menschsein abgesprochen?
Heute werden ähnliche Argumente wiederholt, um die Gewalt des Systems gegen diejenigen zu legitimieren, die sich in den Kommunikationsmedien und den sozialen Netzen – die auf immer betrügerische Weise eingesetzt werden um Wähler und Wahlen zu manipulieren und Vorurteile und gefälschte Meinungsströmungen aufzubauen, ihnen entgegnstellen.
Wir haben nach dem Putsch in Bolivien Szenen gesehen, die an die Tage der Conquista erinnern, als sich Kreuz und Schwert zusammenfanden, um Unterdrückung und Plünderung aufzuzwingen. Demonstrationen von Fundamentalisten gegen die indigenen Bewegungen, gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner Menschen sind überall emporgeschossen.
Der Groll, der gegen Symbole und indigene Traditionen, gegen Frauen, die Polleras tragen, gegen Fahnen wie die Wiphala ausgebrochen ist, hat tiefe Wurzeln und genetische Verbindungen mit dem Faschismus. Deswegen ist es von so großer Bedeutung, dass die Casa in diesem Jahr den „Preis für Studien über die Kultur der Ursprünglichen Völker Amerikas“ vergibt. Aus diesem Grund nimmt dieses von Jaime Gómez Triana koordinierte Programm, das den Kulturen der Ursprünglichen Völker gewidmet ist, im aktuellen Kontext einen höheren Rang ein.
Je kriegerischer und primitiver die Barbarei ist, um so wichtiger ist es, rigoros an den Forschungen festzuhalten, die die Casa über diese spezifischen kulturellen Prozesse fördert, die logischerweise von der größtmöglichen Verbreitung ihrer Ergebnisse begleitet sein muss. Die authentische Kultur ist das zweifellos wirksamste Gegengift gegenüber dem Faschismus.
Als wir die Pressekonferenz zu dem Preis abhielten, griff ich den Text von Roberto (“Notas sobre América”) auf, der in der Zeitschrift Casa veröffentlicht wurde. Dort spricht er mit der gleichen Beklemmung wie Eric Hobsbawm über den unkontrollierbaren Anstieg der Barbarei während des gesamten XX. Jahrhunderts und dem bisherigen XXI. Jahrhundert und ruft uns dazu auf, niemals, auch nicht unter den schwierigsten Umständen, den Glauben an die Utopien und die Hoffnung aufzugeben,
Eine Barbarei, wie Roberto sagt, die sich in einer erdrückenden Zerstörungskraft äußert, die Hitler niemals hatte, die aber sehr wohl der Kaiser dieses neuen Reichs hat, der „atomare Caligula“. Als Gipfel von alldem weigert sich Trump den Klimawandel und seine praktisch bereits nicht mehr rückgängig zu machenden Folgen für den Planeten und die Gattung anzuerkennen.
Was Kuba angeht, habe ich ja bereits ein wenig zu Beginn von der Obsession der USA gegen uns gesprochen. Zum ersten Mal, seit das Helms-Burton -Gesetz erlassen wurde, hat ein Yankee Präsident die Kapitel unterzeichnet, die es den angeblichen Besitzern oder Nachkommen der Besitzer von durch die Revolution verstaatlichtes Eigentum ermöglichen, gegen jedes Unternehmen oder jeden Bürger der Welt, der in eines dieser Besitztümer investiert, vor Gerichten der USA Klage einzureichen. Eine rechtliche Absurdität, extraterritorial und unzulässig. Besonders, wenn man dabei bedenkt, dass Kuba angeboten hatte, über Entschädigungen zu verhandeln und die USA dies immer verweigert haben, natürlich, weil sie dachten, sich alles zu einem bestimmten Zeitpunkt mit Gewalt wieder anzueignen.
Sie möchten damit die ausländischen Investoren abschrecken. Sie möchten uns damit erdrosseln, genauso wie mit all den neuen restriktiven Maßnahmen, die die USA gegen Kuba praktisch jede Woche unternommen haben, mit den Kreuzfahrtschiffen, den Flügen, den Überweisungen, dem Austausch von Fachleuten und Akademikern. Alles ist jedes Mal begleitet von einer immer größer werdenden Flut von immer schamloseren Lügen.
Mit der Verfolgung von Reedereien, Schiffen und Versicherungsgesellschaften, die den bereits gekauften Kraftstoff auf die Insel bringen sollten, versuchten sie ab April 2019 mit Akten offener Piraterie und einem extremen, grausamen Druck zu strangulieren. Aber das Land stand nicht still. Die grundlegenden Programme, die mit dem Wohnungsbau, mit der Nahrungsmittelproduktion, dem Ersatz von Importen, dem Vorantreiben der Exporte in den traditionellen Sparten und anderen neuen wurden nicht angehalten. Der Kampf gegen alle Überbleibsel der Bürokratie, gegen mangelnde Sensibilität, gegen die Routine ging weiter.
Auch das intensive kulturelle Leben des Landes kam nicht zum Stillstand. Mit viel Erfolg wurde das Filmfestival durchgeführt. Gerade ist ein anerkanntes internationales Jazz Event zu Ende gegangen. Im Februar findet unsere Buchmesse statt.
Wie sagte Präsident Díaz-Canel, indem er eine volkstümliche Redensart verwendete, der die gefährlichen Situationen zusammenfasst, die wir durchgemacht haben: „Sie gaben Todesschüsse auf uns ab, aber wir sind am Leben.“
Wir wissen, dass sie in diesem Jahr 2020 den Belagerungsring enger schließen werden und weiter auf uns schießen werden, um uns zu töten; aber wir werden überleben. Unseren Leuten ist ganz deutlich bewusst, dass lebenswichtige und zu bedeutende Dinge auf dem Spiel stehen – und niemand wird uns mit Trugbildern täuschen können.
Gerade dieser Preis Casa de las Américas ist zweifellos ein Sieg über das krankhafte Bestreben uns zu zerstören. Es stellt einen weiteren Einsatz Kubas für die Kultur, für das Leben, das Denken, die Poesie, die Intelligenz und die Solidarität dar angesichts eines Diskurses des Hasses, des Neofaschismus, der arroganten Dummheit, der Lüge und der Manipulation dar.
Er ist ein Sieg Kubas, zu dem Sie, die Jury, entscheidend beigetragen haben. Ohne Sie, ohne die Solidarität und Ihre Unterstützung, wäre dieser Preis zum Scheitern verurteilt gewesen.
Die Casa von Haydée, Roberto, Mariano, den Gründern, von Marcia, Silvia, Chiqui und denen die sich sukzessiv diesem Team angeschlossen haben, Nancy, Miriam, Idelisa, Aurelio, Luisa, María Elena, Vivian, Jorge, Jaime, Yolanda, die andere Silvia, Camila und viele mehr, ist daran gewöhnt inmitten von Hindernissen und Widrigkeiten zu arbeiten. Sie ist ein überraschendes Modell des Widerstands. Selbst Wirbelstürme und Flutwellen haben sie angegriffen und wollten alles niederreißen, die hier aufbewahrte Erinnerung, die Bücher, die Briefe, die Zeitschriften, die Kunstwerke. Sie haben in der Casa Schäden angerichtet, aber sie konnten sie nicht zerstören. Wir haben ein bewundernswertes Kollektiv von Arbeitern (wie ich es neulich den Journalisten gesagt habe), das sich durch sein Gefühl der Zugehörigkeit auszeichnet und stolz darauf ist Teil dieser Einrichtung zu sein, die einen belebenden Funken der mystischen Haydée in sich trägt.
Manchmal scheint es mir, als sei die Casa wie eine Replik des Kuba im Kleinen, das den Wirbelstürmen, Tornados, Blockaden und Tiefschlägen widersteht und weiterhin davon beseelt ist, die Utopie nicht aufzugeben.
Das Jahr 2003 gleicht auf eine Weise dem Jahr 2019 und dem jetzigen 2020. Im März jene Jahres kündigte Bush die Invasion des Irak an. In Miami gingen die extremistischen Gruppen kubanischen Ursprungs auf die Straßen und riefen: „Irak jetzt, Kuba danach“. Zuvor, 2002, sagte Bush, dass seine Armee sich in „eine militärische Kraft, die bereit ist, sofort 60 oder mehr dunkle Winkel der Erde anzugreifen“ verwandeln müsse. „Dunkle“ sagte er und niemandem entging die rassistische Absicht des Wortes.
Im Januar 2002 sagte Fidel bei einer Martí gewidmeten Veranstaltung, dass „die große Schlacht auf dem Feld der Ideen und nicht dem der Waffen stattfindet“, und er mahnte die Teilnehmer, ohne Rast daran zu arbeiten „Ideen zu säen“ und „Bewusstsein zu säen“.
Die Casa de las Américas hat sich jene Mahnung zu eigen gemacht. Sie ist eine der Aufträge, die er uns Männern und Frauen der Kultur zurückgelassen hat. Ideen, Bewusstsein gegenüber jenen, dass man mit Geld und Bomben und brutaler Gewalt alles kann.
Ich werde mit meinen Worten, die zu ausführlich geworden sind, zu Ende kommen, aber, bevor ich schließe, möchte ich noch die Vorführung einer Videoaufnahme ankündigen, die für uns eine besondere Bedeutung hat. Sie entstand aus der Beziehung, die Haydée immer zu Martí hatte. Von der Casa aus forderte sie die Trovadores dazu auf, dessen Gedichte zu vertonen.So entstanden einige sehr schöne CDs. Darunter Versos de José Martí cantados por Sara González In einigen Minuten werden wir einige Stücke dieser CD hören.
Das Video hat einen kurzen einleitenden Text, der die Absicht der Casa erklärt. Die Freunde, die aus dem Ausland kommen, sind vielleicht nicht auf dem Laufenden. Aber in den ersten Januartagen 2020 waren in den sozialen Netzen Bilder von Büsten Martís im Umlauf, die auf beleidigende Weise befleckt wurden. Hier in Kuba haben die Leute mit großer Entrüstung auf diesen Affront reagiert und es gab viele Veranstaltungen als eine Art Wiedergutmachung für den Apostel und in Zurückweisung dieser Schändlichkeit.
(Diese Vorkommnisse hatten sicherlich einen Vorläufer im November 2019 in Santa Cruz, Bolivien, wo faschistische Befürworter des Putsches ein Keramikportrait Martís des bolivianischen Bildhauers Lorgio Vaca mit schwarzer Tinte übergossen. Und ein weiterer Vorfall: Vor wenigen Tagen schändete man das Grab des chilenischen Trovadors Victor Jara, der, bevor er von Pinochet ermordet wurde,schwer gefoltert worden war und jetzt in den Tagen des Protests gegen Piñera mit seinen Liedern wieder zum Leben erweckt wurde. Den Faschismus machen die Symbole der Emanzipation wütend, besonders wenn sie weiterhin präsent sind.
Zurück zu Kuba und Martí will ich schließen, indem ich sage, dass die Casa de las Américas sich den Äußerungen unseres Volkes zur Zurückweisung des Affronts gegen Martí mit dem Video, das wir jetzt sehen und hören werden, anschließt.
Vielen Dank.