Putsch in Bolivien
Polizisten revoltieren gegen Regierung. Radio- und Fernsehsender angegriffen. Präsident Morales kündigt Neuwahlen an
In Bolivien sind die gewaltsamen Proteste der rechten Opposition zu einem Staatsstreich gegen den am 20. Oktober wiedergewählten Präsidenten Evo Morales eskaliert. Dieser akzeptierte am Sonntag, die Wahlen zu annullieren und das Oberste Wahlgericht neu zu besetzen. Zuvor hatte sich die von Washington dominierte Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hinter die Putschisten gestellt und eine Wiederholung des Urnengangs verlangt. Das Ergebnis könne nach einer Überprüfung nicht gebilligt werden, hieß es in einer am Sonntag morgen verbreiteten Stellungnahme.
Am Freitag hatten zunächst Einheiten der Polizeieinheit UTOP in den Städten Cochabamba, Sucre und Santa Cruz revoltiert. In der Nacht zum Samstag weitete sich dieser Aufstand Medienberichten zufolge auf weitere Polizeieinheiten aus. In La Paz zogen sich die UTOP- Einheiten vom Präsidentenpalast an der Plaza Murillo, dessen Schutz ihre Aufgabe ist, in ihr Hauptquartier zurück. Morales sprach von einem faschistischen Putschversuch und rief die Bevölkerung auf, gewaltfrei die Demokratie und die verfassungsmäßige Ordnung zu verteidigen.
Am Sonnabend attackierten militante Regierungsgegner dann die Gebäude des staatlichen Fernsehens Bolivia TV und des Rundfunksenders Radio Patria Nueva. Die Mitarbeiter wurden gezwungen, ihre Arbeitsplätze zu verlassen. Inzwischen ist die Homepage von Bolivia TV offenkundig von den Putschisten gekapert worden, zu lesen sind nur noch Parolen der Regierungsgegner. José Aramayo, der Direktor des Gewerkschaftssenders Radio Comunidad, wurde von den Putschisten an einen Baum gefesselt und misshandelt. In Oruro wurde das Haus einer Schwester von Evo Morales in Brand gesteckt.
Am frühen Sonntag morgen gab es Berichte über Großdemonstrationen insbesondere indigener Anhänger des Präsidenten gegen den laufenden Putschversuch. International meldeten sich Organisationen, Regierungen und Persönlichkeiten zu Wort und verurteilten den versuchten Umsturz. (AFP/PL/jW)
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