Francisca López Civeira*: Die „Monroe-Doktrin“ – ein früher Warnruf, veröffentlicht am 13.4.2019
Die Lektüre eines Buches aus dem Jahre 1893 kann Erstaunen hervorrufen, eines Buches, das eine tiefgehende Darstellung der nordamerikanischen Außenpolitik und ihrer Intentionen zu einem Zeitpunkt liefert, als diese kaum in der Welt war. Es scheint ein Weckruf gewesen zu sein, als die Vereinigten Staaten gerade dabei waren, eine aktive Politik in Lateinamerika zu entfalten, was seinen Ausdruck im Aufruf zu einer internationalen Konferenz in Washington fand, die unter dem Namen der Ersten Panamerikanischen Konferenz zwischen 1889 und 1890 bekannt wurde, sowie etwas später in der Internationalen Währungskonferenz im Jahre 1891. Die Texte von Martí über diese „Festmahle“ zeigten sehr illustrativ die Absichten dieser Versammlungen und die expansionistischen nordamerikanischen Interessen. In jenem Jahr (1893) fand auch die intensive Vorbereitung des neuen Krieges statt, der im revolutionären Werk in Cuba seine Fortsetzung finden sollte.
Der Autor, Dr. José María Céspedes y Orellana, war Professor an der Universität von Havanna, wo er zweifellos eine herausgehobene Figur war, da er Dekan der Rechtsfakultät wurde und bei mehr als einer Gelegenheit während der achtziger Jahre die Inaugurationsrede hielt. Dieser Universitätsprofessor veröffentlichte am Ende des 19. Jahrhunderts einen Text, der den Geist der Doktrin, die durch den US-amerikanischen Präsidenten James Monroe 1823 verkündet wurde, offenlegte.
Das Vorwort des Buches präsentiert die Eindrücke, die Céspedes bezogen auf die Vereinigten Staaten hatte, bevor er das Land auf eine direkte Art kennenlernte, was in einem allgemeinen Sinn dem verbreiteten Bild von jener Gesellschaft als einem Paradigma von Freiheit und Demokratie und auch von Modernität entsprach. Der Autor kam im Februar 1869 auf US-amerikanischen Boden, mit den „schmeichelhaftesten Illusionen“, wie er beichtete, denn er glaubte, dass die „Nordamerikaner so etwas wie Götter waren, die in ihren Händen den Zauberstab der Freiheit hielten, und die damit alle Sterblichen berührten, die sich ihnen näherten. Ich habe gelernt, sie zu schätzen, von der Schule an, und sie haben mir gefallen, ich habe sie gerühmt, verteidigt und ihre Tugenden und ihren Charakter überhöht in allen Tönen.“ Dieser Eindruck von Céspedes war kein Einzelfall, sondern er wurde geteilt von Vielen, aber dieser Autor bringt einen ironischen Ton in diesen Text.
Wie der Professors selbst berichtete, entstand ein erstes Unbehagen in New York, als am Kai der Zollbeamte vermutete, dass er Kontrabande wie Tabak mit sich führte, eine Frage, die den Kubaner sehr störte. Danach erzählt er seine Enttäuschung über die Taxifahrer, die Händler der Stadt, von denen er dachte, dass diese Leute gar nicht verdienten, was ich mir vorgestellt hatte (…)“. Dies war der Beginn eines Analyseprozesses der nördlichen Gesellschaft.
Der Enttäuschung folgte das Studium der Politik des Landes und insbesondere der Beziehungen zu den amerikanischen Republiken. Und das brachte ihn zur Monroe-Doktrin. Nach seiner Meinung „war diese der Hauptgrund für meinen falschen Glauben und meine Illusionen über Nordamerika“. Aus dieser Feststellung kann man schließen, dass Céspedes anfangs den Wortlaut dieser Politik wörtlich genommen hat und noch nicht in die tiefen Absichten eingedrungen war.
Der Autor legt sorgfältig dar, dass er keine Vorbehalte gegen die USA hatte, für die er ganz im Gegenteil Bewunderung hegte „für das wunderbare materielle und intellektuelleWachstum der Großen Republik“, ihre „weisen Institutionen“; zweifellos sprach er mit Absicht von der „excellenten Klugheit, mit der sie ihre auswärtigen Beziehungen zum eigenen Vorteil gestalteten, ohne sich viel um „das Schicksal der Anderen“ zu kümmern“. Mit dieser Aussage drang er in die Materie ein, von da aus sollte er anfügen, dass er „ihren Liebesbeweisen allen Freiheiten gegenüber keinen Glauben schenkte.“
Von diesem Standpunkt aus versicherte Céspedes, dass es „für sie in Amerika keine anderen Amerikaner gibt als die aus dem Norden. Sie sind die einzigen der Freiheit Würdigen“, sind die „einzig Fähigen, sich selbst zu regieren und die Einzigen, die die Vorsehung dazu bestimmt hat, das ganze kontinentale Amerika und die Antillen zu absorbieren und zu beherrschen.“ Um diese Aussage zu belegen, hat er die Fälle von Louisiana, Florida, Alaska und die Kaufversuche und die versuchsweisen Annexionen erwähnt, die sie durchgeführt haben.
Ein anderer Aspekt, den Dr. Céspedes streifte, war die Anwendung von herabsetzenden Kriterienauf jedes Land der lateinamerikanischen Kolonien, und dass die Anektion keine Assimilation, sondern Zerstörung bedeutete. Es war unzweifelhaftt eine Warnruf an diejenigen, die in der Union mit dem mächtigen Nachbarn den Weg zum Wohlstand unserer Völker sahen. Die Kohärenz von Céspedes y Orellana kann man ebenfalls darin sehen, dass er ein neues Buch mit dem Titel „Die Intervention“ veröffentlichte, direkt nach dem Eingreifen der Vereinigten Staaten in den kubanisch-spanischen Krieg, dem Beginn der militärischen Okkupation und der Einfügung des Platt-Verfassungszusatz. Darin bezeichnete jener Mann, der bei der Wiedereröffnung der Universität in Havanna 1901 von der Namensliste des Lehrkörpers verschwunden war, diese Intervention als heuchlerisch und bestätigte dadurch, dass er niemals an das Motiv der Freiheit oder der Menschenliebe des Nachbarn geglaubt hat. Von diesem Standpunkt aus verfasst er seine Einschätzungen, die sich in seinem Buch über die Monroe-Doktrin widerspiegeln, und bestätigt:“ Die Tatsachen, die wir gegenwärtig erleben, zeigen im Gegenteil, dass sie richtig sind und bestätigt wurden, ohne dass etwas aufgeben oder irgend etwas hinzugefügt werden muss, das sie widerlegen könnte.
Mit diesen Aktionen haben die USA nach Meinung von Céspedes y Orellana die Maske fallen lassen und damit offen die wahren Motive der Monroe-Doktrin gezeigt. Dies war zweifellos eine frühe Annäherung an diese Frage, die so lange Gültigkeit hatte und die sich zur heutigen Zeit von neuem im politischen Diskurs der Vereinigten Staaten verwurzelt hat. Vielleicht muss man auf dieses Buch des Ex-Professors wieder zurückkommen, um sich an seine frühe Warnung zu erinnern.
Alle Zitate sind entnommen: Jo´s María Céspedes: La Doctrina de Monroe, Druck La Moderna de A. Miranda y Comp., Havanna 1893 und José María Céspedes y Orellana: La intervención. Druck De Rambla y Bouza, Havanna 1901, Seite 1
Übersetzung: Angelika Becker
* Francisca López Civeira nahm an der Konferenz „60 Jahre Cubanische Revolution – Fidels Ideen leben weiter!“ am 18.5.19 in Bochum teil.