Brief des Vorstands des NETZWERK CUBA an die Bundesregierung
An
Bundeskanzlerin Angela Merkel
und die Bundesregierung
Bundesregierung und Venezuela
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Ministerinnen und Minister,
die von der US-Regierung in den letzten Jahren hergestellte geostrategische Konfliktsituation (gegen Iran, Russland, Syrien, Kuba, Nicaragua und Venezuela sowie die ausufernde „Sanktionspolitik“ auch gegen China und weitere Staaten) verletzt das Völkerrecht, die Menschenrechte, die Wiener Konvention und zerstört das friedliche Miteinander der Völker.
Dieses rücksichtslose, imperiale Vorgehen darf von Ihnen nicht weiter toleriert werden. Der Sitz Deutschlands im VN-Sicherheitsrat muss dringend für eine sachliche und klare Kritik und für angemessene Maßnahmen gegen die friedensgefährdenden Aktivitäten der Trump-Administration genutzt werden. Akut und explosiv ist die Aggression und Subversion der US-Regierung gegen Venezuela sowie gegen Kuba. Hier muss umgehend und deutlich gehandelt werden. Die weltweite Resonanz eines solchen Schrittes wäre durchweg positiv, denn die alljährlichen Zustimmungen in der VN-Generalversammlung gegen die US-Blockade gegen Kuba sind nahezu einstimmig – und dennoch ist die Trump-Regierung nicht bereit, die US-Blockade gegen den Nachbarstaat Kuba zu beenden oder zumindest abzuschwächen, sondern erlaubt sich sogar eine systematische Verschärfung.
Auf die jüngsten verbalen Attacken der US-Regierung antwortete Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel: „Wir verurteilen die Drohung von Donald Trump aufs Schärfste. Es gibt weder kubani-sche Truppen noch Militäroperationen in Venezuela. Wir rufen die internationale Gemeinschaft dazu auf, die gefährliche Eskalationsspirale zu stoppen und den Frieden zu erhalten. Es reicht mit den Lügen.“
Welche menschlichen Opfer die US-Aggressionen gegen Venezuela nach sich ziehen, offenbarte kürzlich der Bericht des Washingtoner Centre for Economic and Policy Research (CEPR), an dem die Ökonomen Mark Weisbrot und Jeffrey Sachs beteiligt waren, dass die unilateralen US-Sanktionen gegen Venezuela in den Jahren 2017 und 2018 mindestens 40.000 Menschen das Leben gekostet hätten (insb. Kranken und HIV-Infizierten mangelt es an lebenswichtigen Medikamenten).
Und obwohl die US-Propagandamaschinerie, unterstützt durch die meisten Massenmedien, das Image erzeugt und immer wieder wiederholt, die Regierung Maduro und die PSUV wären allein an den sozioökonomischen Problemen und Versorgungsmängeln schuld, gestand das Außenministerium der USA in einer Erklärung vom 9. Januar 2018 selbst ein: „Die Druckkampagne funktioniert. Die finanziellen Sanktionen, die wir gegen die venezolanische Regierung verhängt haben, haben sie gezwungen, sowohl mit der Staatsverschuldung als auch mit der Schuld ihrer Ölgesellschaft PDVSA, in Verzug zu geraten. Und was wir sehen … ist ein gesamtwirtschaftlicher Zusammenbruch in Venezuela. Also funktioniert unsere Politik, unsere Strategie funktioniert und wir werden sie beibehalten.“
Nun hat der Menschenrechtsrat der VN den unabhängigen Experten Idriss Jazairy um eine Einschätzung der Lage gebeten, und dieser äußerste jetzt sein „tiefe Besorgnis“ angesichts neuer Zwangsmaßnahmen der US-Regierung gegen Kuba, Venezuela und den Iran. Die Verhängung von Sanktionen für politische Zwecke verletze die Menschenrechte und die Normen des internationalen Verhaltens. „Regime change durch Wirtschaftsmaßnahmen, die zur Beschneidung der grundlegenden Menschenrechte und zu Hungersnot führen können, ist nie eine akzeptierte Praxis in den internationalen Beziehungen gewesen.“ Schwerwiegende politische Differenzen zwischen Regierungen dürften niemals gelöst werden, indem „wirtschaftliche und humanitäre Katastrophen herbeigeführt werden, die die einfachen Menschen zu deren Schachfiguren und Geiseln macht.“ Und: „Es ist schwer zu erkennen, wie Maßnahmen, die die Wirtschaft Venezuelas zerstören und verhindern, dass Venezolaner Geld nach Hause schicken, darauf abzielen können, ‚dem venezolanischen Volk zu helfen‘, wie dies das US-Finanzministerium behauptet.“
Durch ihre eigenen Sanktionen und die Zurückhaltung von Hilfsgütern für Venezuela beteiligt sich die Bundesregierung in fataler Weise an diesem verbrecherischen Vorgehen der US-Regierung. Die derzeitige Politik der Bundesregierung verletzt zudem die selbst deklarierten Ziele. So heißt es von BM Maas zur Mitarbeit im VN-Sicherheitsrat: „Wir wollen während unserer Mitgliedschaft zu Stärkung der regelbasierten internationalen Ordnung und des Multilateralismus beitragen. (…) Dabei werden wir unserer Grundausrichtung treu bleiben und einen starken Fokus auf Krisenprävention, nachhaltige Friedenssicherung und Konfliktlösung einfordern und vorantreiben.“ Diesem Ziel wird er leider nicht gerecht. Im Gegenteil. Der Außenminister unterstützt mit seinen Aktionen der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates diese schändliche Politik der USA. Auch die hiesigen Medien spielen in Sachen Venezuela leider eine sehr unrühmliche Rolle, verbreiten sie doch ungeprüfte Propaganda aus Washington und Fehlinformationen, verfassen sie einseitige Berichte, ignorieren historische und kontextuelle Zusammenhängen, verschweigen positive Themen und Erfolge in Venezuela.
Im Einvernehmen mit Dutzenden Solidaritätsorganisationen in der BRD und unzähligen ausländischen Solidaritätsgruppen fordern wir Sie und die Mitglieder der Bundesregierung nachdrücklich auf, Ihrem abgelegten Amtseid entsprechend zu agieren:
- Folgen Sie gegenüber Venezuela in uneingeschränkter Weisedem Grundgesetz (Präambel: „dem Frieden der Welt zu dienen“; Artikel 26: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“)
- Beachten Sie gegenüber Venezuela in uneingeschränkter Weise das Völkerrecht (Charta, Nichteinmischung, kooperative Verfahren bei Konflikten) und diplomatische Prinzipien (gemäß Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen)
- Respektieren Sie die Verfassung Venezuelas. (Nicht einmal laut Artikel 233, auf den sich Juan Guaidó beruft, ist er seit spätestens 23.2.2019 kein (selbsternannter) „Übergangspräsident“, sondern Putschist und des Hochverrats sowie Landesverrats verdächtig).
- Außenminister Heiko Maas hatte angekündigt, im UN Sicherheitsrat für Kooperation und friedliche Konfliktlösungen eintreten zu wollen. Das ist sehr zu begrüßen. Er muss dies allerdings auch dringend im Fall USA – Venezuela praktizieren.
- Die Bundesrepublik Deutschland muss sich im UN-Sicherheitsrat gemeinsam mit anderen Staaten gegen die Aggressionen der US-Administration wenden, die seit Jahren und nun in verschärfter Form gegen Venezuela sowie Kuba praktiziert werden und dort immense Opfer kosten und Angst verbreiten.
Hinsichtlich der US-Außenpolitik gegenüber den südlichen Nachbarländern, speziell der umfassenden und völkerrechtswidrigen Wirtschaftsblockade gegen Kuba muss die Bundesregierung ihrem positiven Abstimmungsverhalten in der UN-Vollversammlung endlich spürbare und zielorientierte Taten folgen lassen:
- Die EG-Verordnung EG Nr. 2271/96 des „Rates zum Schutz vor den Auswirkungen der exterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen“ ist umzusetzen, um damit deutsche Unternehmen und NGOs vor den unilateralen Wirtschaftsinterventionen der US-Regierung zu schützen.
- Zudem muss umgehend in die Wege geleitet werden, dass eine „Zweckgesellschaft“ (Special Purpose Vehicle SPV) als „Instrument zur Unterstützung von Handelsaktivitäten“ (Supporting Trade Exchanges INSTEX) auch für Kuba und Venezuela eingerichtet wird – zumal die Trump-Regierung immer unverhohlener Völkerrecht und andere internationale Vereinbarungen und Prinzipien verletzt und selbst enge Partner unter unzumutbaren Druck setzt (z. B. Nord Stream 2 vs. LNG; Iran; NATO).
Das Außenministerium unter Minister Heiko Maas muss umgehend seine Komplizenschaft mit den Hardlinern in der US-Regierung beenden. Trotz des unverhohlenen Drucks seitens der Trump-Administration gegenüber „Verbündeten“ ist ein solches Verhalten mit unseren rechtsstaatlichen Grundsätzen und Prinzipien nicht vereinbar. Zuwiderhandlungen müssen entsprechend geahndet werden. Ein Zeichen wäre, das Verhalten des deutschen Botschafters Kriener und seiner Mannschaft in Caracas zu rügen, der mit seinem nicht tolerierbaren Fehlverhalten gegen zahlreiche Prinzipien der Diplomatie und deutsche Interessen verstoßen hat.
Wir bitten um Ihre Stellungnahme.
Vielen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.
Hochachtungsvoll
Der Vorstand