Brief an die Bundesregierung hinsichtlich der Situation in Venezuela
Offener Brief der FBK – Freundschaftsgesellschaft Berlin-Kuba e.V.
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Ministerinnen und Minister,
in den letzten Jahren gab es wohl keine vergleichbare geostrategische Konfliktsituation wie
die Vorgänge in den letzten Wochen in und um Venezuela, die immer noch nicht ausgestanden
ist.
Für friedliebende Akteure gilt es, eine offen gewalttätige und militärische Intervention zu
verhindern, auf die von den USA schon lange hingearbeitet wird. Wir erinnern an den Putsch
in Venezuela 2002.
Nach Sanktionen, Geldsperren, Weltmarktmanipulationen, Medienkampagnen, diplomatisch-
ökonomischem Druck und ähnlichen Zermürbungsaktionen scheint aus Sicht der USRegierung
die Zeit jetzt reif zu sein, die destabilisierte Lage, in der sich Venezuela befindet,
auszunutzen, um mit Hilfe von „Hilfssheriffs“ endlich den Regime-Change einzuläuten. Wie
schon zuvor in zahlreichen Interventionen der USA in der südlichen Hemisphäre besteht das
Ziel weiterhin darin, ein aus Sicht der US-Eliten und ihrer Verbündeten unliebsames Regime
zu stürzen, sich die Reichtümer des Landes (Erdöl, Gold, Coltan, seltene Erden, Erdgas, Diamanten
u.v.a.m.) anzueignen und geostrategische Vorteile (vs. China, Russland, EU) zu nutzen.
In dieser äußerst gefährlichen Situation spielen weitsichtige internationale Politik und umsichtige,
prinzipientreue Diplomatie eine bedeutende Rolle.
Die derzeitige Politik der Bundesregierung wird diesen Herausforderungen leider nicht gerecht.
Im Gegenteil. Der Außenminister unterstützt mit seinen Aktionen der Einmischung in
die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates diese schändliche Politik der USA.
Auch die hiesigen Medien spielen in Sachen Venezuela leider eine sehr unrühmliche Rolle,
verbreiten sie doch ungeprüfte Propaganda aus Washington und Fehlinformationen, verfassen
sie einseitige Berichte, ignorieren historische und kontextuelle Zusammenhängen, verschweigen
positive Themen und Erfolge in Venezuela.
Wir fordern Sie und die Mitglieder der Bundesregierung nachdrücklich auf, Ihrem abgelegten
Amtseid entsprechend zu agieren und:
· Befolgen Sie in der Causa Venezuela in uneingeschränkter Weise das Grundgesetz
(Präambel: „dem Frieden der Welt zu dienen“; Artikel 26: „Handlungen, die geeignet
sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der
Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind
verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“)
· Befolgen Sie in der Causa Venezuela in uneingeschränkter Weise das Völkerrecht
(Charta, Nichteinmischung, kooperative Verfahren bei Konflikten).
· Befolgen Sie in der Causa Venezuela in uneingeschränkter Weise diplomatische Prinzipien
(gemäß Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen)
· Berücksichtigen Sie die Verfassung Venezuelas. (Nicht einmal laut Artikel 233, auf
den sich Juan Guaidó beruft, ist er seit spätestens 23.2.2019 kein (selbsternannter)
„Übergangspräsident“ und des Hochverrats sowie Landesverrats verdächtig).
· Außenminister Heiko Maas hatte angekündigt, im UN Sicherheitsrat für Kooperation
und friedliche Konfliktlösungen eintreten zu wollen. Das ist sehr zu begrüßen. Er
muss das allerdings auch dringend im Fall USA – Venezuela praktizieren.
· Die Bundesrepublik Deutschland muss sich im UN-Sicherheitsrat gemeinsam mit
anderen Staaten gegen die Aggressionen der US-Administration wenden, die seit
Jahren und nun in verschärfter Form gegen Venezuela sowie Kuba praktiziert werden
und dort immense Opfer kosten und Angst verbreiten.
Hinsichtlich der US-Außenpolitik gegenüber ihren südlichen Nachbarländern, speziell der
Wirtschaftsblockade gegen Kuba muss die Bundesregierung ihrem Abstimmungsverhalten in
der UN-Vollversammlung endlich Taten folgen lassen:
· Die EG-Verordnung EG Nr. 2271/96 des „Rates zum Schutz vor den Auswirkungen der
extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von
darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen“ ist umzusetzen, um
damit deutsche Unternehmen und NGOs vor den unilateralen Wirtschaftsinterventionen
der US-Regierung zu schützen.
· Zudem muss umgehend in die Wege geleitet werden, dass eine „Zweckgesellschaft“
(Special Purpose Vehicle SPV) als „Instrument zur Unterstützung von Handelsaktivitäten“
(Supporting Trade Exchanges INSTEX) auch für Kuba und Venezuela eingerichtet
wird – zumal die Trump-Regierung immer unverhohlener Völkerrecht und andere
internationale Vereinbarungen und Prinzipien verletzt und selbst enge Partner unter
unzumutbaren Druck setzt (z. B. Nord Stream 2 vs. LNG; Iran; NATO).
Das Außenministerium unter Minister Heiko Maas muss umgehend seine Komplizenschaft
mit den Hardlinern in der US-Regierung beenden. Trotz des unverhohlenen Drucks seitens
der Trump-Administration (erinnert sei an das „Gespräch“ mit Vizepräsident Pence im
Vorfeld der Aussage von Heiko Maas, Juan Guidó anzuerkennen) ist ein solches Verhalten
mit unseren rechtsstaatlichen Grundsätzen und Prinzipien nicht vereinbar. Zuwiderhandlungen
müssen entsprechend geahndet werden. Ein Zeichen wäre, das Verhalten des
Botschafters Kriener zu rügen, der mit seinem nicht tolerierbaren Fehlverhalten gegen
zahlreiche Prinzipien der Diplomatie und deutsche Interessen verstoßen hat.
Wir bitten um kurze Stellungnahme. Vielen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Jutta Kausch-Henken
(Vorsitzende FBK)
Brief an Bundesregierung hinsichtlich der Situation in Venezuela