»Kämpfen gegen Aggression des Imperialismus«
Venezuela: Vermeintliche »Hilfsgüter« werden als politische Provokation eingesetzt. Widerstand dagegen hält an. Ein Gespräch mit Pedro Rosas
Interview: André Scheer
Pedro Rosas ist Sprecher der sozialen Organisation »Movimiento Gayonés«
Am vergangenen Sonnabend kam es zu teils gewalttätigen Auseinandersetzungen an den Grenzen Venezuelas zu Kolumbien und Brasilien. Hintergrund waren vom selbsternannten »Übergangspräsidenten« Juan Guaidó angekündigte Lieferungen angeblicher »Hilfsgüter«. Wie bewerten Sie die Ereignisse der letzten Tage?
Wir erleben eine sehr gefährliche Situation, eine Provokation durch die US-Administration und die ihr folgenden Regierungen. US-Präsident Donald Trump versucht, die Konflikte in Venezuela zu verschärfen, um eine günstige Ausgangsposition bei Verhandlungen zu haben. Diese Strategie könnte dazu führen, dass die Widersprüche bis zu einem Punkt zugespitzt werden, an dem die Lage unumkehrbar geworden ist. Nicht nur die Regierung, sondern vor allem das Volk Venezuelas hat es geschlossen verstanden, nicht auf diese Provokation an den Grenzen hereinzufallen. Die Ergebnisse des Treffens der Lima-Gruppe am Montag in Bogotá und der Treffen mit US-Vizepräsident Michael Pence sind in unseren Augen eine Reaktion auf die Niederlage, die sie am 23. Februar erlitten haben.
Bei dem von Ihnen angesprochenen Treffen der Lima-Gruppe – einem gegen Venezuela gerichteten Zusammenschluss rechtsgerichteter Regierungen des Kontinents –, wurde eine militärische Intervention gegen Ihr Land abgelehnt. Eine solche war zuvor von Sprechern der venezolanischen Opposition gefordert worden. Wie bewerten Sie das?
Dieser Schwenk ist eine Reaktion darauf, dass die Vertreter der Lima-Gruppe mit ihrer Absicht gescheitert sind, die Provokation bis zum Extrem voranzutreiben. Als sie sich bewusst wurden, dass das Volk Venezuelas zum Kampf bereit ist, haben sie ihre Taktik geändert. Das schließt eine gewaltsame Aggression allerdings nicht vollständig aus. Den rechten Regierungen ist offenbar klar geworden, dass eine Invasion erstens einen Prozess auslösen würde, den sie nicht in kurzer Zeit unter Kontrolle bringen könnten, und sie zweitens mit Reaktionen von sozialen Bewegungen in Kolumbien, Brasilien, Peru und anderen Ländern rechnen müssten. Die Lage in diesen Ländern ist für sie nicht einfach, es gibt viele Proteste. In Kolumbien gab es bereits starke Demonstrationen gegen eine mögliche Aggression in Venezuela. In Lateinamerika sind die antiimperialistischen und Anti-Yankee-Gefühle sehr stark, und die Solidarität der Völker ist groß.
Die USA haben angekündigt, die Sanktionen gegen Venezuela weiter verschärfen zu wollen, die nach ihrer Aussage nur gegen Führungspersönlichkeiten der Regierung gerichtet sind. Wie bewerten Sie diese Strafmaßnahmen?
Die Behauptung, die Sanktionen würden nur Einzelpersonen treffen, ist eine Lüge. Es handelt sich um eine Blockade, die der gegen Kuba ähnlich ist. Wenn man Sanktionen gegen einen Minister oder Vizeminister verhängt, dann haben von diesem unterzeichnete Verträge auf internationaler Ebene keinen Wert mehr. Das bedeutet, dass Venezuelas Regierung keinen Zugang mehr zu bestimmten Waren auf dem Weltmarkt hat. Das ist schon seit Jahren so. Nun sind sie aber zu einer neuen Phase übergegangen, zum direkten Diebstahl von Eigentum des venezolanischen Volkes. Vor diesem Hintergrund fordert es keine humanitäre Hilfe. Was es fordert, ist die internationale Solidarität gegen die Blockade und die Möglichkeit, benötigte Waren einzukaufen.
Wie bewerten Sie die Haltung der venezolanischen Regierung angesichts dieser Aggression?
Einerseits begrüßen wir ihr Agieren als mutig, weil es nicht einfach ist, sich gegen einen Angriff des US-Imperialismus zu wehren. Andererseits kritisieren wir eine gewisse Nachlässigkeit in bestimmten Bereichen, vor allem bei der Entwicklung der industriellen Fähigkeiten unseres Landes. Die Wirtschaft Venezuelas war das gesamte 20. Jahrhundert über davon geprägt, Rohstoffe zu exportieren und verarbeitete Produkte, die für die Entwicklung des Landes gebraucht werden, zu importieren. Diese Abhängigkeit ist nicht durchbrochen worden.
Wie kann die gegenwärtige Situation entspannt werden?
In erster Linie setzen wir auf internationale Solidarität vor allem der Arbeiter- und Volksbewegungen mit dem Volk Venezuelas. Weltweit müssen die Menschen verstehen, dass wir gegen eine Aggression des Imperialismus kämpfen. Andererseits muss im Inneren unseres Landes die Produktion über die Organisierung der Arbeiter angekurbelt werden. Viele Unternehmen arbeiten nur mit halber Kraft oder sind von ihren Eigentümern ganz stillgelegt worden. Sie müssen wieder in Gang gesetzt werden.