Der Relotius-Skandal: Spiegel, Cicero & Co. und Kuba
Pressemitteilung des Vorstands
Der Relotius-Skandal:
Spiegel, Cicero & Co. und Kuba
- Dezember 2018
Das Online-Nachrichtenportal „amerika21“ enthüllte an Weihnachten, dass der Skandal um zahlreiche gefälschte Reportagen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ offenbar auch die Kuba-Berichterstattung betrifft (https://amerika21.de/2018/12/219609/relotius-spiegel-kuba-kuehn-stiftung-lasc). Demnach habe der Autor Claas Relotius seit 2011 mehrere Dutzend Artikel für die Zeitschrift verfasst und inzwischen zugegeben, 14 Texte vollständig erfunden oder mit erfundenen Passagen ergänzt zu haben. Und diese Manipulationen betreffen wohl auch Beiträge über Kuba.
Basis für seine Kuba-Artikel – wie z.B. im Cicero, war eine von der Heinz-Kühn-Stiftung des Landes NRW finanzierte Kubareise im Jahr 2013. Daraus entstanden Texte mit Titeln wie „Die Revolution verkauft ihre Kinder “ und „Zur Arbeit: Recherchieren in der Diktatur“. Offenbar hat sich Herr Relotius dabei mit dem Ziel journalistischer Tätigkeit in Kuba fälschlicherweise als Tourist eingeschlichen. Dies würde auch nach deutschem Recht als Verstoß geahndet, wird aber im Falle Kubas offensichtlich als Heldentat angesehen. Wiederum ist Doppelmoral am Werk.
Die Kubatexte des Herrn Relotius sind nun also nachweislich manipuliert, voller Fehler und Fehlinterpretationen, wurden aber gleichwohl in sog. „Qualitätsmedien“ veröffentlicht. Für aufmerksame Beobachter der Kubaberichterstattung in den hiesigen Medien sind solche eklatanten Qualitätsdefizite nicht überraschend. Es gibt dort selten Beiträge, welche die Breite und Vielfalt der kubanischen Realität abbilden, hinreichendes Hintergrund- und Fachwissen aufweisen, und differenzierte Analysen bieten.
Dabei handelt es sich nicht um einzelne journalistische Fehlleistungen, Die Berichterstattung bezüglich Kuba in der vorherrschenden, kommerzialisierten Medienlandschaft unterliegt insgesamt den antikommunistischen Klischees und Feindbildern. Gerade das Schweigen und Nichtberichten über die komplexen und vielgestaltigen Entwicklungen in Kuba und vor allem das Ignorieren und Unterdrücken von anerkannten Erfolgen und Qualitäten in der kubanischen Gesellschaft und Politik produzieren ein völlig falsches und unzureichendes Bild von Kuba, insbesondere was das Wahlsystem und die demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten angeht, wie kürzlich erneut deutlich wurde.
All dies ist ein weiteres Indiz für das von Pierre Bourdieu sogenannte „Einheitsdenken“, wie es auch in zahlreichen empirisch fundierten medienkritischen Studien offengelegt wird. Aus der gegenwärtigen Kampagne zur Entlarvung des Sünders Relotius und der Darstellung der Reinigungsaktivitäten des deutschen Journalismus kann der Rückschluss gezogen werden, dass genau davon abgelenkt werden soll: dem ideologisch gefärbten, manipulativen und schlechten Journalismus, der inzwischen unsere Medien weitgehend dominiert.
Eine Entwicklung normaler Beziehungen Kubas zur Europäischen Union und zu unserem Land wird dadurch behindert; und dabei leidet das Land, auch noch im 60. Jahr seiner Revolution unter einer immer schärferen Blockade, die von den USA ausgeht, doch weltweit wirksam ist.
Also nicht nur der journalistische Fehltritt eines Einzelnen, sondern ein solches Verhalten der Medien an sich sollte Ziel der Empörung sein!