Wie weiter mit Kuba? – Eine Vortragsveranstaltung mit Volker Hermsdorf
Am Donnerstag, dem 24.05.2018 fand im Chemnitzer Rothaus ein Vortrag zum Thema „Generationswechsel in Cuba – Wie weiter mit Kuba?“ statt. Initiiert wurde die Veranstaltung gemeinsam von Rothaus e. V., Rotfuchs e. V., Cuba Sí und der Leserinitiative Junge Welt Chemnitz Erzgebirge. Eingeladen war der namhafte Autor und als Kuba-Experte ausgewiesene Volker Hermsdorf, der zu Fragen des Themas Rede und Antwort stehen sollte. Dass es ein spannender Abend werden würde, zeigte allein schon die hohe Teilnehmerzahl. Im Veranstaltungsraum gab es kaum noch freie Plätze.
Nach einer kurzen Begrüßung durch Sabine Kühnrich vom Gastgeber Rothaus e. V. schilderte Silke Albert von Cuba Sí eindrucksvoll ihre Erlebnisse ihrer vergangenen Reise nach Kuba gemeinsam mit einer Delegation bestehend aus fünf Mitgliedern des Bundestags und drei Mitgliedern der Organisation Cuba Sí. Besonders erschütternd wirkten da die Erlebnisse in einem Krankenhaus, wo die Blockadepolitik der USA mit am brutalsten zu spüren ist. Ihre Begegnung mit Adeleida Guevara empfand Silke als unvergesslich.
Anschließend kam Volker Hermsdorf zu Wort. Er wehrte zunächst in aller Bescheidenheit ab, dass er ein Kubaexperte sei, vielmehr sei es sein Lebenslauf, der ihn mit Cuba verbinde. Erstmalig war der ehemalige IG-Metall-Funktionär und gelernte Journalist 1982 in Kuba. Damals sah und hörte er viel über die sozialistische Hilfe der DDR und erkannte den Wert der Unterstützung für die Verwirklichung humanistischer Ideale für eine Gesellschaft jenseits kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse in diesem kleinen Land.
Um die heutige Entwicklung in Kuba zu verstehen, so Volker Hermsdorf, müsse man sich die Situation in ganz Lateinamerika vor Augen halten. Es findet dort im Großteil der Länder ein Wechselprozess statt. In den letzten ein bis zwei Jahren aber eine Abkehr von hoffnungsvoll eingeschlagenen Wegen hin zum Neoliberalismus. Besonders deutlich wird das in Ländern wie Argentinien, Chile, Honduras, Paraguay und Kolumbien. Diese Entwicklung wiederum birgt eine erhöhte Kriegsgefahr gegenüber Venezuela, das Land, das riesige Vorkommen leicht zu fördernden Erdöls in staatlicher Hand besitzt, analysierte Hermsdorf. Dieser Umstand weckt Begehrlichkeiten vor allem bei den USA, die viel und billig Öl benötigen, oder auch Lithium, was für den Bau von Batterien benötigt wird. Das aber gibt es wiederum in Bolivien. Deswegen werden die USA sowohl auf ideologischem wie auch auf politischem Gebiet versuchen, linke Regierungen in Lateinamerika zu kippen. Den Beweis dafür treten sie regelmäßig seit 2017 an, indem sie mit Ländern wie Brasilien, Peru, Kolumbien und Argentinien Militärmanöver vor Venezuelas Grenzen abhalten.
In dieser schwierigen Situation hat Kuba nun einen Generationswechsel in seiner Regierung vollzogen. In den Mainstream-Medien jammert man, dass kein Systemwechsel in Aussicht stehen würde. Tatsächlich hat Kuba täglich eine Gratwanderung zu bewältigen, da diesem kleinen Land eine strategisch wichtige Schlüsselrolle in der Region zukommt. Der neue gewählte Präsident Canel, der zur nachrevolutionären Generation gehört, ist ein kompetenter Mann in Bezug auf innenpolitische, administrative und wirtschaftliche Belange der Republik. Gemeinsam mit dem Außenminister Rodriguez wurde bei der Regierungsbildung eine gelungene Kombination erlangt. Im kubanischen Nationalkongress sind alle Klassen und Schichten der Bevölkerung vertreten. Das Durchschnittsalter beträgt 49 Jahre und der Frauenanteil 53,2 %. Volker Hermsdorf bezeichnete Kuba als Insel der Stabilität. Die neue Regierung steht weiterhin vor großen und schwierigen Aufgaben, die es zu lösen gilt. 60 Jahre Blockadepolitik haben ihre Spur gezogen, vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet. Dazu kommt, dass sich die Arbeitsproduktivität auf niedrigem Niveau befindet. Arbeitsmoral, -disziplin und -organisation müssen verbessert werden. An allen Stellen besteht Modernisierungsbedarf. In der Landwirtschaft hat Kuba mit dem Erbe jahrzehntelang betriebener Monokultur zu kämpfen. Investitionen, die dringend notwendig sind, sind schwer zu machen, da sich z. B. internationale Geldgeschäfte wegen der Blockade schwierig gestalten. Deshalb wurde nun die Agenda 2020 angekurbelt. Sie richtet ihr Hauptaugenmerk auf die engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China und Russland.
Oftmals entsteht die Frage, da Kuba eine schlecht ausgestattete, reine Verteidigungsarmee hat, warum die USA wie so oft in anderen Ländern auch, Kuba nicht militärisch angreifen. Hier wusste Volker Hermsdorf, dass Kuba eine Schlüsselrolle ausspielen kann. Kuba besitzt keine Bodenschätze, hat aber dafür eine politische Ausstrahlung: gleichbleibend und hartnäckig trotzt das Land der Blockadepolitik seit nunmehr 60 Jahren. Das Gesundheits- und Bildungssystem ist weltweit beispielgebend, und das Transportsystem ist funktionierend, wenn auch mit Mängeln behaftet. Die USA haben ihre Doktrin geändert. Sie zielen auf die Zerstörung der Infrastruktur und versuchen den Einfluss globaler Konzerne zu etablieren. Es werden Subversionsprogramme zahlreich unterstützt. Später wurde dann auch aus dem Publikum eine Frage zur Problematik „Reporter ohne Grenzen“ gestellt. Volker Hermsdorf klärte auf: Diese Organisation ist eine Organisation des kalten Krieges. Sie schätzt Kuba als ein Land mit wenig Pressefreiheit ein. Der Maßstab dafür ist der Anteil privater Medienbetriebe. Tatsächlich aber ist beim kubanischen Journalismus nicht die Methode „Reglementierung“, sondern die offene ideologische Auseinandersetzung das Grundprinzip. Fakt ist auch, dass in Kuba 1958 das letzte Mal ein Journalist ums Leben kam. Es gibt viele Länder in denen Journalisten nicht so sicher sein können, und dort werden die Medien als „freier“ eingeschätzt.
Bei allen Schwierigkeiten, die Kuba bei der Gestaltung des Sozialismus zu bewältigen hat, schätzte Volker Hermsdorf ein, dass die jüngere Generation bewusster geworden ist. Der „neue Mensch“ wie ihn einst Che Guevara beschrieben hat, den findet man dort. Sie sehen und leben die Wichtigkeit der „sozialen Verpflichtung“ der Menschen. Und das gibt uns Linken Zuversicht.
Als am Ende Sabine Kühnrich uns Zuhörer darauf aufmerksam machte, dass wir nun schon seit zweieinhalb Stunden gemeinsam hier sind, hatten wir gar nicht bemerkt, wie viel Zeit vergangen war. Jede einzelne Minute war spannend und aufschlussreich. Danke, Volker Hermsdorf!
Sonja Riedel, Leserinitiative Junge Welt Chemnitz Erzgebirge